Das Portrait
: Das alte kleine Sünderlein aus Köln

■ Willy Millowitsch

Norddeutsche und Süddeutsche haben mit rheinischem Humor – eine Mischung aus Jovialität, Drastik und Sentimentalität – erst so richtig Bekanntschaft machen können (und müssen), als sie in den Besitz eines TV-Gerätes kamen. Das war so von 1953 an. Denn damals erschien Willy Millowitsch zum ersten Mal auf den Bildschirmen.

Eine Sportübertragung war geplatzt, weshalb ersatzweise eine Theateraufführung ins Programm gehoben wurde – und das Publikum war sehr zufrieden. Der Held der Aufführung hieß Willy Millowitsch. Der war in seiner Heimatstadt Köln, wo er 1909 geboren wurde, schon damals ein Star. Als Sproß einer berühmten Kölner Theaterdynastie, die seit 1796 auf rheinischen Bühnen auftrat, war er für die Kölner eine Symbolfigur für Humor und Herzlichkeit. Das Theater der Millowitschs stand für eine volkstümliche Mischung aus karnevalesker Lebenslustigkeit und triedeliger Fröhlichkeit, die nur mit leicht melancholischen Anflügen grundiert war.

Seither gilt Willy (“De Willy“) Millowitsch bundesweit als Prototyp der rheinischen Lebensart. Zwar probierte er es gelegentlich mit ernsteren Stücken – den Totengräber im „Hamlet“ oder in Stücken von Molière unter der Regie von Rudolf Noelte –, aber trotz feiner Schauspielerei fühlte er sich immer wohler mit einem Publikum, das eher zum Lachen mit Schenkelklopfen als zum kultivierten Applaus neigte. Kölnmäßig war ihm eigentlich nur Trude Herr ebenbürtig. Mit ihr teilte er eine gewisse Vorliebe für Musikaufnahmen: Millowitschs Lieder „Wir sind alle kleine Sünderlein“ oder „Schnaps, das war sein letztes Wort“ avancierten mit seiner papihaften Knarzstimme zu Schlagern, die auf deutschen Volksfesten und am Ende von Skatabenden gesungen wurden – und heute zum Fundus unserer Alltagskultur zählen.

Millowitschs Traum, die Nachfolge Schimanskis als „Tatort“-Kommissar des WDR anzutreten, erfüllte sich nur halb. Den „Tatort“ bestritten andere, dafür erhielt der Alte Anfang der neunziger Jahre eine eigene Krimiserie, in der er den Kommissar Klefisch zu verkörpern hatte.

Zu den ehernen Gesetzen einer Theaterdynastie gehört, daß ein Kind des Prinzipals dessen Nachfolge antritt. Am ehesten hat dies seine jüngste Tochter geschafft. Mariele ist die Heldin der ZDF-Serie „Girl Friends“. Mit einer Gala wird ihrem Vater heute in Köln zum 90. Geburtstag gratuliert. JaF