"Union kein seriöser Gesprächspartner"

■ Cem Özdemir, der innenpolitische Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, schließt einen Kompromiß bei der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft aus. Die Union sei in dieser Frage ein Bündnis

taz: Die doppelte Staatsbürgerschaft ist nur ein Nebenaspekt der rot-grünen Pläne, Einbürgerungen zu erleichtern. Riskieren Sie nicht durch Ihr Festhalten daran einen Kulturkampf, der die ganze Reform in Verruf bringt?

Cem Özdemir: Man muß die Diskussion vom Kopf auf die Füße stellen. Entscheidend ist nicht die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. Ich finde, da irrt auch ein Teil der Linken bei uns, die sich zu sehr auf diesen Punkt kaprizieren. Entscheidend ist, daß wir das Geburtsrecht einführen. Das ist die historische Zäsur für Deutschland, das ist der Weg, wie wir Deutschland fitmachen fürs nächste Jahrtausend.

Warum dann nicht auf das umstrittene Detail der doppelten Staatsbürgerschaft verzichten?

Sie ist ein Mittel zum Zweck, damit für die Migranten die psychologischen Hürden auf dem Weg zur Einbürgerung fallen. Deshalb wollen wir die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen, nicht weil wir meinen, daß das Anhäufen von Pässen irgendwelche Glücksmomente mit sich bringt. Ich selber habe auch nur einen Paß, ich sammele keine Pässe. Da gibt es schönere Dinge auf der Welt, die man sammeln kann.

Sie wollen die psychologischen Hürden für die Neubürger senken. Erweist sich nicht jetzt, daß Sie damit im Gegenzug die psychologischen Hürden bei den Altbürgern erhöhen?

Die Angst, glaube ich, kann man den Menschen nehmen. Die geplante Informationskampagne der Bundesregierung ist wichtig, um klarzumachen, daß wir den deutschen Paß nicht auf der Straße verteilen werden. Es wird nach wie vor Voraussetzungen für eine Einbürgerung geben. Dazu gehört, daß man zur Verfassung steht. Deutschland hat eine Werteordnung, die man teilen muß, wenn man hier Bürger werden will.

Deshalb schlägt die CSU einen Eid auf die Verfassung vor.

Die Union möchte mit dem Eid das amerikanische Modell einführen. Die Union verschweigt, daß die USA sich als Einwanderungsgesellschaft definieren. Daraus schöpfen die Amerikaner soviel Selbstbewußtsein, daß ihnen egal ist, ob ein künftiger US-Staatsbürger eine oder zwanzig weitere Staatsbürgerschaften besitzt. Dieses Selbstbewußtsein fehlt leider in Deutschland und insbesondere fehlt es der Union.

Die FDP hat ihren Vorschlag wiederholt, wonach Neubürger sich mit 18 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden sollen. Ein Vorschlag zur Güte?

Die Möglichkeit, daß wir beispielsweise die Optionsmöglichkeit einführen, hat in der letzten Legislaturperiode bestanden. Diese Möglichkeit hat die Union versäumt, nicht wir. Wir waren kompromißbereit. Jetzt hat Rot- Grün die Aufgabe, das zu erfüllen, was in 16 Jahren CDU/FDP-Regierung versäumt wurde. Und wenn die Union eines hoffentlich sehr fernen Tages wieder die Regierung stellen sollte, wird sie mit der Frage der Staatsbürgerschaft so umgehen, wie sie es mit den Ostverträgen der 70er Jahre gemacht hat: Sie wird die Realität nachträglich akzeptieren.

Also keine Einigung mit der Union?

Mit einer Position wie Herr Stoiber sie vertreten hat, scheidet die Union als seriöser Gesprächspartner in dieser Frage aus. Es erstaunt mich, wie schwach Herr Schäuble ist. Es ist kein Zeichen von Stärke, wenn er in dieser Frage von Herrn Stoiber am Nasenring vorgeführt wird. In dieser Frage ist die Union ein Bündnis mit der NPD und den Republikanern eingegangen. Interview: Patrik Schwarz