Atomkompromiß in Sicht

Trittin-Ministerium schlägt Ende der Wiederaufarbeitung nun im Jahr 2000 vor. Nächste Woche muß aber noch der rot-grüne Koalitionsausschuß in Bonn darüber tagen  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Beim Streit um das Ende der Wiederaufarbeitung haben die Beamten von Umwelt- und Wirtschsaftsministerium einen Kompromiß erarbeitet. Von einer Beilegung des koalitionsinternen Konflikts um das neue Atomgesetz wollte der Sprecher des Bundesumweltministerium gestern noch nicht reden. „Auf Arbeitsebene ist eine Linie gefunden worden, die noch auf politischer Ebene bestätigt werden muß“, sagte Michael Schroeren lediglich. Über den Inhalt des anvisierten Kompromisses sei Stillschweigen vereinbart worden.

Immerhin ist bereits der Zeitrahmen für das Ende der Wiederaufarbeitung bekanntgeworden, auf den sich die Arbeitsebene, die Staatssekretäre und Abteilungsleiterinnen oder Abteilungsleiter aus den beiden Bundesministerien inzwischen geeinigt haben. Das Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente aus deutschen AKWs soll demnach zwar in Trittins Atomgesetznovelle enthalten sein, aber erst im Jahr 2000 in Kraft treten – ein Jahr später als die übrigen Änderungen des Gesetzes, die der Bundesumweltminister noch in diesem Monat ins Parlament bringen will.

In einem ersten Gesetzesvorschlag, den das Bundeskabinett vor drei Wochen von der Tagesordnung nahm, hatte Trittin noch ein sofortiges Verbot der Wiederaufarbeitung vorgesehen. Gegen dieses sofortige Verbot war bisher Bundeswirtschaftsminister Werner Müller im Verein mit der Stromwirtschaft zu Felde gezogen.

Weitere Gespräche über die Novelle des Atomgesetzes hat es am vergangenen Montag auf Abteilungsleiterebene gegeben, und am kommenden Montag sollen sich in gleicher Sache noch einmal die Staatssekretäre zusammensetzen. Die Beamten arbeiten zur Zeit daran, die vereinbarte Kompromißlinie in einen Gesetzestext umzusetzen, der Schadenersatzklagen gegen den Bund ausschließt und auch diplomatische Verwicklungen mit dem Nachbarland Frankreich vermeidet.

Das Jahr zwischen der Verabschiedung der Atomgesetznovelle und dem Inkrafttreten des Verbots der Wiederaufarbeitung soll nun Zeit für Verhandlungen vor allem mit Frankreich geben, das durch das Verbot den besten Kunden seiner WAA in La Hague verliert. Zum rot-grünen Koalitionsvertrag scheint die zeitliche Streckung des Verbots der Wiederaufarbeitung auf den ersten Blick nicht im Widerspruch zu stehen. Dort heißt es, daß die neue Bundesregierung in ihren ersten hundert Tagen die Entsorgung gesetzlich auf die direkte Endlagerung beschränken werde. Ein explizites sofortiges Verbot der Wiederaufarbeitung enthält der Vertrag nicht.

Den Kompromiß muß sich allerdings Bundesumweltminister Trittin noch zu eigen machen, der immer noch auf Gomera Urlaub macht. Endgültig festgezurrt werden soll er ohnehin erst am 13. Januar, wenn sich mit der Novelle des Atomgesetzes die große Koalitionsrunde befaßt, an der auch die Spitzen der Koalitionsfraktionen und -parteien teilnehmen. Die grüne Bundessprecherin Gunda Röstel nannte gestern den Vorschlag jedoch „sehr interessant und überdenkenswert“. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller bezeichnete den Vorschlag als vertretbar. Der Konflikt um die Wiederaufarbeitung sei von Anfang an kein Streit in der Sache gewesen, sagte der SPD-Umweltpolitiker. Es habe vielmehr über die mit dem Verbot der Wiederaufarbeitung verbundenen Risiken unterschiedliche Auffassungen gegeben.

Gunda Röstel forderte, daß in den Konsensgesprächen zum Atomausstieg auch Kernkraftgegner mit einbezogen werden. Wenn solche Gruppen nicht direkt mit Rot-Grün und der Stromwirtschaft am Tisch sitzen könnten, würden sich die Grünen für ihre Interessen einsetzen. Die Konsensgespräche sollen am 26. Januar beginnen.