Fragen auf Letzte Antworten

Wie liest man morgens in der S-Bahn die Zeitung, ohne dem Nachbarn die Sicht zu nehmen oder origamiähnliche Faltstücke durchzuführen? (2. 1. 99)

Man least beim Nachbarn.Gerd Neurath, Saarbrücken

Die billige Lösung (mitlesen beim Nachbarn) erweitert zwar den Horizont über die Presselandschaft, ist aber doch sehr fremdbestimmt. Die einfache Lösung (kleinformatige Zeitungen) verringert leider meist den geistigen Horizont, da es sich oft um Boulevardblätter handelt. Die teure Lösung (Notebook/ Organizer mit Handy und Internet) schmälert hingegen empfindlich den Geldbeutel und schürt eventuell den Sozialneid. Vielleicht sollte man daher doch am besten einen Volkshochschulkurs in Origami belegen.Peter Woltersdorf, Berlin

Warum heißt es eigentlich Missionarsstellung? (2. 1. 99)

Als europäische Missionare in die Südsee kamen, fanden sie sehr lebens- und sexlustige Völker vor, die sich an keinerlei europäische Moralvorstellungen hielten. Die Südseevölker glaubten, Kinder kämen von den Göttern und sahen keinen Zusammenhang mit Sex. So lebten sie, ohne sich über Verhütung oder ähnliche Dinge Gedanken zu machen, freien Sex in allen möglichen Stellungen. Dies war den europäischen Missionaren natürlich zuwider und sie verordneten zwangsweise die „Missionarsstellung“.Hans Bahner, Karlsruhe

Missionare, vom Satan zu sittenwidrigem Kopulieren verleitet, konnten sich nur in dieser bei Naturvölkern eher unüblichen Stellung, welche allein sie vor Blickkontakt mit dem in jeder Missionarshütte hängenden Kruzifix bewahrte, auf das Hier und Jetzt konzentrieren, bevor postkoitale Tristesse und Schlimmeres sie ohnehin ereilten.Rainer Kornberger, Bremen

Aus zwei Gründen: Der Beischläfer wird wie der Missionar beflügelt vom Willen zur (Über-)Zeugung und ist dabei auch noch so arm wie dieser – an Phantasie.Uta Eckensberger, Saarbrücken

Kann man sich selbst erwürgen? (2. 1. 99)

Man könnte. Aber sich selbst zu erwürgen ist doch eine unwürdige Art, dem Leben ein Ende zu machen. Arthur Schopenhauer berichtet in „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1. Band, Zweites Buch, § 23) von einer Methode, welche weniger Rohkraft als vielmehr Willenskraft erfordert: „Man hat nämlich gestritten, ob es (das Atemholen) zu den willkürlichen oder zu den unwillkürlichen Bewegungen gehöre, d.h. eigentlich, ob es auf Motiv oder Reiz erfolge, danach es sich vielleicht als ein Mittelding zwischen beiden erklären ließe. (...) da es unter dem Einfluß teils der Celebral- (willkürlichen) teils der Spinal- (unwillkürlichen) Nerven steht. Indessen müssen wir es zuletzt doch den auf Motiv erfolgenden Willensäußerungen beizählen: denn andere Motive, d.h. bloße Vorstellungen, können den Willen bestimmen es zu hemmen oder zu beschleunigen, und es hat, wie jede andere willkürliche Handlung, den Schein, daß man es ganz unterlassen könnte und frei ersticken. Dies könnte man auch in der Tat, sobald irgendein anderes Motiv so stark den Willen bestimmte, daß es das dringende Bedürfnis nach Luft überwöge. Nach einigen soll Diogenes wirklich auf diese Weise seinem Leben ein Ende gemacht haben (...)“

All das wird nicht zur Nachahmung empfohlen, sondern dient ausschließlich der Erkenntnis über die Freiheit des Willens.Uli Hoffmann, Siegen

Rein theoretisch könntest du dich wahllos durch den gesamten Inhalt des Medizinschrankes fressen, danach deine Hände mit Sekundenkleber an deiner Gurgel befestigen, um auf einen epileptischen Anfall zu warten, der dich von krampfartigen Zuckungen begleitet ins Jenseits befördern wird. Doch wer kann schon gewährleisten, daß die Krämpfe stark genug sein werden, um deine Kehle zu zerquetschen? Vielleicht gibt es auch gar kein Jenseits, in das du dich befördern könntest, oder du erwischst eine geballte Ladung codeinhaltigen Hustensaft und bist für die nächsten Stunden der glücklichste und einzige Mensch der Welt, dessen Hände sich nicht von seiner Kehle lösen lassen.

Eigentlich wollte ich nur sagen: Man sollte nicht so viele existentielle Fragen stellen, sondern lieber einen guten Kriminalroman lesen.Neele Wahnsiedler, Leer

Erwürgen ist definiert als die Strangulation des Halses mit der Hand, d.h. im Gegensatz zum Erdrosseln oder Erhängen ohne Zuhilfenahme eines Strangwerkzeuges. Bei dem Versuch sich selbst zu erwürgen, würde mit Eintritt der Bewußtlosigkeit die Muskulatur erschlaffen, die eigene Hand könnte den Hals nicht weiter komprimieren und die Luft-/Blutzufuhr wäre wiederhergestellt. Das bedeutet, daß man sich selbst durch Erwürgen nicht umbringen kann. Theoretisch wäre dies allerdings denkbar, und zwar wenn während des Würgevorganges ein Kehlkopfbruch oder ein reflektorischer Herzstillstand auftritt.Ralf Husain, Berlin

Ja, wenn man entsprechend große Wut auf sich selbst hat.Gerhard Jung, Nackenheim

Was ist Fortschritt? (24.12.98)

Diese Frage von Laurie Anderson bereits 1989 in ihrem auf dem Album „Strange Angels“ erschienen Lied „The Dream Before (for Walter Benjamin)“ beantwortet:

„She said: What is history?/ And he said: History is an angel/ Being blown backwards into the future/ He said: History is a pile of debris/ And the angel wants to go back and fix things/ To repair things that have been broken/ But there is a storm blowing from paradise/ And the storm keeps blowing the angel/ Backwards into the future/ And this storm, this storm/ Is called Progress.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.Matthias Güldner, Bremen

Fortschritt ist, wenn man vorne plant und nicht weiß, was dabei hinten rauskommt.Dr.-Ing. E.N. Fant, Hamburg

Vergeht die Zeit schneller oder langsamer, wenn man eine Armbanduhr trägt? (24. 12. 98)

Mit dem Yerkes-Dodson-Gesetz (aus der Motivationspsychologie) läßt sich diese Frage beantworten: bei niedriger Erregung (z.B. im Halbschlaf) rennt der Minutenzeiger erbarmungslos davon, die Zeit vergeht mit Uhr schneller. Bei hoher Erregung (z.B. vor Rendezvous oder Prüfungen) tickt die Uhr quälend langsam. Nur bei optimaler Erregung kann die „gefühlte Zeit“ gleich schnell wie die „objektive Zeit“ sein.Dr. Tewes H. Wischmann, Heidelberg

Wer keine Armbanduhr trägt, für den vergeht die Zeit langsamer. Ohne Armbanduhr oder Kontakt zu anderen Zeitmessern schätzen die Menschen im Durchschnitt erst nach 67 Minuten, daß eine Stunde vergangen sei, so die Angaben des Zeitforschers Robert Levine. Und wer eine Zeitlang seine Zeit in einer Isolierzelle verbracht hat, der glaubt im Durchschnitt erst nach einer Stunde und 28 Minuten, daß eine Stunde vorbei sei. Fazit: Unsere physiologische Uhr geht ungenau. Für Menschen ist es ohne äußere Anhaltspunkte schwierig, die Dauer von Zeitabschnitten genau zu beurteilen. Wozu also dieser ganze Streß um Minuten und Sekunden? Menschlich gesehen absolut unpassend und überflüssig. Fahrplanmäßig gesehen natürlich nicht.Birgit-Sara Fabianek, Aachen