Evolution des Parfümgeschmacks

Der Zeitgeist hat stets geprägt, womit mensch sich besprüht. Das 19. Jahrhundert duftete nach Jasmin und Veilchen. Damit war zur Jahrhundertwende Schluß. Mit der Elektrifizierung wurde es auch mit den Düften komplizierter: Die bisherigen Einzelblütenparfüms galten nun als omamäßig, komplette Blumenbouquets waren in. Die hießen auch so, etwa „Quelques Fleurs“. Mit der Emanzipation der Frauen wird auch das Parfüm mutiger. 1917 kommt „Chypre“ auf den Markt – ein zitroniges Parfüm, das einer ganzen Duftfamilie seinen Namen gibt.

In den zwanziger Jahren galt: elegant, aber bitte exzentrisch. „Chanel No. 5“ wurde der passende Begleitduft fürs Amüsement. Die Dreißiger und Vierziger, wie könnte es anders sein, verschafften auch den Parfüms eine neoklassizistische, konservative Ära. Je schwerer, desto lieber („Shalimar“!). Die Nachkriegsära verlangte nach Frischem, weg mit dem Muff, grüne Düfte à la „Vent Vert“ setzten sich durch. Zu einem stattlichen Fünfziger-Jahre- Rock'n'Roll mußte dann etwas Aggressives her, animalisch anmutende Düfte wie „Cabochard“, zumindest in den USA. Europa blieb zunächst noch bei den Blümchen. Wer in den sechziger Jahren etwas auf sich hielt, mußte ein Blumenodeur wie „Fidji“ tragen, eines, das auch in einem Ashram zum ökokorrekten Auftritt verhilft.

Eine Zäsur bildeten die siebziger Jahre. Bis dahin bestand die Gesellschaft aus wenigen, dafür klar überschaubaren Schichten. Nun lösten sich diese Strukturen auf, standesgemäße Zuordnungen waren nicht mehr möglich. Die Zersplitterung der Gesellschaft fand ihre Entsprechung in einer Vielfalt der Duftrichtungen von schwül wie „Magie noir“ bis spritzig wie „Amazone“.

Der Yuppie der achtziger Jahre dagegen wußte wieder genau, was er wollte: auffallen, auffallen, auffallen. Das erforderte dominante, schrille Düfte wie „Poison“ oder „Spirit“. Das jetzige Jahrzehnt hat die Bezugsgruppe in den Mittelpunkt gerückt: Harmonisch soll's sein. Gerne auch unisexuell. Nur keine Extreme. Das sorgt für Süß- Sinnliches wie „Cašmir“ für die Dame oder Würzig-Frisches wie „Cool Water“ für den Herrn. Oder vielleicht etwas Süß-Fruchtiges wie „All about Eve“? Schließlich essen wir alle gern. uta