Ein Mauseloch in den Himalaja

■ Das Rhodarium im Rhododendron Park soll viel mehr sein als ein schnödes Gewächshaus

Die ersten Bäume sind abgehackt im Rhododendron Park in Horn. Sie standen dem großen Werk im Wege, mit dem sich Bremens verträumter Botanischer Garten zu einer Touristenattraktion und einem neuartigen wissenschaftlichen Zentrum mausern will. Im Februar beginnen die Arbeiten für ein neues Gewächshaus, wo die Pflanzen aus den alten Glashäusern Zeit überbrücken, bis ihr luxuriöses neues Heim voraussichtlich Ende 2000 fertig ist: das Rhodarium.

Michael Werbecks Augen leuchten, wenn er über ein Projekt spricht, das unter seiner Federführung fast unbemerkt von der Öffentlichkeit umgesetzt wird. „Sie kommen ins Gewächshaus und stehen im Himalaja“, schwärmt der Beamte, im „Normaljob“ Leiter der Naturschutzabteilung bei Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD). Wasserfall, Fluß, eine Grotte, sogar ein kleines Glashaus im Glashaus, wo im Winter Schnee liegen soll: All das – und natürlich Rhododendron in allen Arten (siehe Kasten) – soll im größten der fünf Gewächshäuser die Menschen faszinieren. Aber das Rhodarium soll mehr sein als eine Natur-Kirmes.

Das Projekt entstand aus einer in Bremen seltenen Verknüpfung von Interessen der Senatsressorts für Umwelt und für Wirtschaft. Die Wirtschaftsleute wollten das touristische Potential der Bremer Grünanlagen erhöhen. Die Umweltleute wiederum mühen sich seit 1992, die seinerzeit in Rio vereinbarte „Biodiversitiätskonvention“ zum Schutz der Artenvielfalt umzusetzen. Bei einem Treffen des Klimabündnisses europäischer Kommunen mit Vertretern von Völkern der Regenwälder kam die Idee auf: Warum nicht ein wissenschaftlich fundiertes Zentrum schaffen, um den Menschen in Deutschland die wichtigen, aber schwer zu vermittelnden Ziele der Artenschutzkonvention unterhaltsam nahezubringen? Zu zeigen, wie ökonomische Probleme mit der Ausrottung von Pflanzenarten zusammenhängen und was Artenvielfalt für die Menschen bedeutet.

Werbeck war zunächst skeptisch. Aber warum sollte das Thema eigentlich nicht am Rhododendron aufgehängt werden, einer der artenreichsten Pflanze überhaupt, die seit Generationen in Bremen gesammelt wird (siehe Text unten)? Und schließlich öffnete auch das Bundesamt für Naturschutz seine Schatulle und finanziert das Material zur Besucherinformation.

Im Konzeptbeirat aus Bremer und auswärtigen Fachleuten entstand der Plan, auch die Menschen und ihre Kultur in die Pflanzenschau zu integrieren. „Wir können doch nicht so tun, als würden wir diesen Menschen den Lebensraum wegschützen“, sagt Werbeck.

Schreine, Figuren und Informationstafeln sollen über den Bud-dhismus aufklären. Im Tropenhaus wird über die Regenwaldvölker informiert, im Haus für amerikanische Rhododendron sind Anklänge an die Kultur des amerikanischen Südens vorgesehen. Gruppen aus diesen Gebieten sollen in die Konzeption einbezogen werden.

Im Mittelpunkt des Besucherzentrums steht die Aufklärung über Zusammenhänge von Boden, Klima und Vegetation. Der holländische Ausstellungsdesigner Cor van Hillo hat einen Parcours entworfen, der den Mensch quasi in Mause-Perspektive durch Boden und Wurzelwerk führt, von wo aus die Besucher das Niveau eines Däumlings auf einer Wiese erreichen und heranwachsen, bis sie in einem sieben Meter hohen Globus eine Klimaschau mit Temperaturschwankungen, Wind und Gewitter erleben können. „Nur ein Gewächshaus“, sagt Werbeck, „kann jeder bauen“.

Wie sollte aber der neue Lebensraum der Bremer Rhodendron aussehen? Die zunächst erwogene große Glaskugel hielten Architekten für eine altmodische Form. Also ein Wettbewerb. 179 Architekten bewarben sich, im Juli 1998 wurde der erste Preis dem Stuttgarter Büro Wulf & Partner verliehen. Fünf wie Flügel um einen Zentralbereich angeordnete Glashäuser mit geschwungenen Dächern werden anstelle der vor 25 Jahren errichteten Gewächshäuser entstehen.

Finanziell ist das 53 Millionen Mark teure Projekt mit Geld aus Bremen und Bonn gesichert. Zur Zeit laufen Verhandlungen mit einem privaten Partner für die Betreibergesellschaft, der sich auf die touristische Vermarktung des Rhodariums verstehen soll. Die Beteiligung der Stadt soll sicherstellen, daß die wissenschaftliche Arbeit weitergeht und Umwelt- oder „Dritte-Welt“-Gruppen tatsächlich im Rhodarium ein Forum finden.

Das Rhodarium soll sich ohne dauerhafte Zuschüsse rechnen: Die Planer gehen von bis zu 300.000 Besuchern pro Jahr aus, die zehn bis zwölf Mark Eintritt bezahlen sollen. Der Zutritt zum Park bleibt gratis. Trotz des erwarteten Massenandrangs hofft Werbeck, daß die Leute auch zum Denken kommen: „Die sollen hier mehr Respekt haben als vor irgendeinem Rummelplatz.“ Joachim Fahrun