Emsvertiefung vor Gericht

■ Kampf gegen umstrittenes Emssperrwerk wird nur vor Gericht ausgetragen/Baustopp dauert an/Ostfriesland gespalten

Allein die Rötung ihrer Wangen signalisiert Aufregung. Landwirtin Elfriede Oorlog aus dem ostfriesischen Mittling-Mark klagt vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die läßt vor Oorlogs Haustür die Ems ausbaggern, damit die Papenburger Meyer-Werft künftig riesige Luxus-Liner die 40 Kilometer durch das Binnenland zur Nordseeküste schleppen kann. Jetzt wurde vor dem OVG die Klage von Oorlog aus dem Jahr 1994 verhandelt; ein abschließendes Urteil wird den Beteiligten laut Gericht in den nächsten Wochen zugehen. Die Ems ist bereits seit 1996 auf die von Elfriede Oorlog beklagte Tiefe von 7,30 Meter ausgebaggert.

„Bei meiner Mandantin ist der Eindruck entstanden, daß das Gericht den Prozeß verschleppt und mit der Meyer-Werft zusammenarbeitet, kommentierte Oorlogs Anwalt Thor von Waldstein die Verfahrensdauer. „Ich verwehre mich gegen den Vorwurf, ich arbeite mit irgendwelchen obskuren Mächten zusammen, erwiderte erregt der Vorsitzende Richter Georg Eichhorn. Nach der Verhandlung äußerte er gegenüber der taz: „Mein Sohn ist auch Anwalt. Hätte er mir in einer Verhandlung solch einen Vortrag geboten, ich hätte ihm eine runtergehauen.“

Zur Sache wurde in der Verhandlung wenig gesagt; der beklagte Landkreis Emsland und die Stadt Papenburg hatten gar keine VertreterInnen geschickt. Die beklagte Bundesrepublik, vertreten durch die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest sowie der Anwalt der Meyer-Werft zogen sich wortkarg auf den Planfeststellungsbeschluß von 1994 zurück. „Alles rechtens“, so Hans-Otto Schulze von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion.

Landwirtin Oorlog schilderte dem Gericht dagegen ihre Situation seit der letzten Emsausbaggerung: „Durch die jahrzehntelangen Baggerungen (1900-1994 von knapp drei auf jetzt 7,30 Meter) verschlickt der Fluß.“ Deswegen habe ihre Familie die Landwirtschaft aufgeben müssen. Das Wasser aus den Feldgräben sei für die 40 Milchkühe ungenießbar geworden, eine Weide vollends abgesackt. „Wir wohnen auf einer natürlichen Sanddüne, die Verbindung zum Fluß hat. Wird gebaggert, saugt es uns den Boden unter den Füßen weg“, erklärte die Frau. Bei Überflutungen decke der Emsschlick die Fischbrutgräben zu. „Bei uns ist alles tot.“ Wegen zahlreicher Unterspülungen der Schutzdämme gebe es keine Deichsicherheit mehr.

Beobachter geben der Klage der Bäuerin wenig Chance auf Erfolg, denn bislang sind vier ähnliche Klagen vom OVG abschlägig beschieden worden. Da aber auch die Landesbehörden die Ansicht vertreten, weitere Emsvertiefungen aus Sicherheitsgründen nicht vertreten zu können, wurde mittlerweile der Bau des Emssperrwerks in Angriff genommen. Auch hier wurde unverzügliche Bauausführung angeordnet – ohne daß die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung geklärt war. So kam es, daß das Verwaltungsgericht Oldenburg im Oktober einen Baustopp für das Sperrwerk verfügte, der noch andauert. Ob der Einspruch der Bundesrepublik dagegegen vor dem OVG Lüneburg angenommen wird, entscheidet sich in drei Wochen. Danach erst wird über die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung verhandelt.

Thomas Schumacher