Haudegen als Haudegen

■ Schmankerl für die „Dornenvögel“-Klientel: „Der Graf von Monte Christo“ ist als TV-Ereignis wiederauferstanden (Teil 1: So., 20.15 Uhr, Sat.1)

Die alte Rachestory von Alexandre Dumas ist anderthalb Jahrhunderte alt und, wenn man will, noch immer schnell erzählt: Unschuldiger Adliger hockt achtzehn Jahre lang im Gefängnis und nimmt nach seiner Flucht fürchterliche Rache. Doch weil die Wut des Rächers groß und die Liste der Bösewichter lang ist, bietet die olle Geschichte genügend Stoff, um daraus einen sechstündigen TV- Vierteiler zu machen. Und wenn man die Event-Marketing-Grundregeln kennt und zudem auch auf einen Etat zurückgreifen kann, um alle Register zu ziehen, dann kann daraus nach Drehschluß gar ein prima „Fernsehereignis“ werden.

So kommt es, daß Haudegen Gérard Depardieu, als Columbus-, Rodin-, Danton-, d'Artagnan- und Cyrano-Darsteller schon wie zu Hause in den Geschichtskulissen, den lärmenden Massenaufläufen, den weitläufigen Schloßfluchten, den kandelaberseligen Gemächern und Studierstuben nun auch als Titelrollengraf getrieben und durchtrieben durch die Kulissen und in die Herzen seiner französischen Landsmänner (und -frauen) stapft, derweil Ornella Muti als des Grafen Jugendliebe Mercédès schön wie eh tief in die Herzen der italienischen Fernsehzuschauer blickt. Und auch der Glamourpresse wurde zwecks (un-)freiwilliger Begleitpromotion ein Schmankerl hingeworfen: In den Rückblicksequenzen spielt Ornellas Tochter Naike Rivelli die jugendliche Mércèdes und Gérards leiblicher Nachwuchs Guillaume Depardieu den jungen Grafen.

Nachdem das TV-Epos 1998 bereits durch die italienischen und französischen Wohnstuben flimmerte, scheint die Rechnung aufgegangen. Wohin man auch schaut – überall steht es geschrieben: Traumquoten habe die opulente Neuverfilmung der alten Abenteuergeschichte bei ihrer Ausstrahlung in Italien und Frankreich erzielt (über 50 Prozent in Frankreich und immerhin gut 30 Prozent Marktanteil in Italien).

Weil aber „Der Graf von Monte Christo“ nicht nur eine italienisch- französische, sondern eine italienisch-französisch-deutsche Koproduktion ist, verspricht (sich) nun auch Sat.1 vier schöne Fernsehabende – obwohl Italien und Frankreich auch Romangrundlage, Filmcrew und Drehorte stellten, Deutschland aber bloß ein paar harte Deutschmark. Und wo die Italiener mit ihrer Muti und die Franzosen mit ihrem Depardieu mitfieberten, beschränkt sich die deutsche Ensemble-Beteiligung auf Constanze Engelbrecht in einer Nebenrolle.

Die „Fackeln im Sturm“- und „Dornenvögel“-Klientel darf sich dennoch auf ein opulentes Werk freuen. Und wenn sich Graf Depardieu z. B. für seine diversen Maskierungen immer wieder die eigene Kartoffelnase mit diversen Wachsimitaten verkleidet, sieht das so prima aus, daß man fast vergißt, daß von derartiger High- Tech-Maskenbildnerei bei Dumas doch eigentlich noch keine Rede war. Christoph Schultheis

Teil 2 bis 4: Di., Mi., Fr., immer um 20.15 Uhr, Sat.1