Trost vom Leidensgenossen

Nur zu gut kennt Ljubljanas Trainer Zmago Samadin die Situation, in der Alba Berlin nach dem 57:75 gegen die Slowenen in der Basketball-Europaliga steckt  ■ Aus Berlin Matti Lieske

Zmago Samadin ist ein sehr mitfühlender Mensch. Und so zerfloß der Trainer des Basketballklubs Olimpija Ljubljana nach dem 75:57-Sieg seines Teams im Europaligaspiel bei Alba Berlin fast vor Sympathie mit Svetislav Pesic, dem Coach des deutschen Meisters. „Das ist hart für Alba“, sagte Samadin nach der Heimniederlage der Berliner, welche diese in akute Abstiegsgefahr bringt. Da die Konkurrenten KK Zadar (74:56 gegen Villeurbanne) und Ülker Istanbul (85:83 gegen Real Madrid) am ersten Spieltag der Zwischenrunde überraschend gewonnen haben, kann Alba den deutschen Europaligaplatz nur noch durch eine kleine Siegesserie bei gleichzeitigen Patzern der Rivalen verteidigen. In nur fünf Spielen muß die Mannschaft mindestens zwei Siege aufholen. Belegen die Berliner am Ende den letzten Platz der Gruppe H, vermag nur noch ein sehr erfolgreiches Abschneiden deutscher Klubs in den anderen europäischen Wettbewerben oder eine Wildcard des Dachverbandes Fiba die Präsenz des nächsten deutschen Champions in Europas Eliteliga sichern.

Der krasse Absturz der neuformierten Berliner Mannschaft, die im Jahr 1998 noch als stolzer Viertelfinalist an die Tür des Final- Four-Turniers in Barcelona klopfte, von AEK Athen indessen schnöde abgewiesen wurde, tut Olimpija-Trainer Samadin auch deshalb weh, weil er solche Berg- und-Tal-Fahrten selbst kennt. Vor zwei Jahren spielte seine Mannschaft bei den Final Four mit, letzte Saison schrammte sie haarscharf am Abstieg vorbei, jetzt gilt der Meister Sloweniens wieder als einer der Favoriten für den Cup-Gewinn. In der Vorrunde ließ man Spitzenteams wie Real Madrid, Teamsystem Bologna oder Asvel Villeurbanne hinter sich. „Wir haben ein schlechte Angewohnheit“, erklärt Samadin seine Misere, „wir können unsere jungen Spieler nicht halten.“

Ebenso wie Alba gehört Ljubljana zu den Kirchenmäusen der Europaliga, der Etat von sechs Millionen Mark ist sogar noch um drei Millionen niedriger als der von Alba Berlin. Die reichen Klubs aus dem Süden dagegen geben bis zu 32 Millionen Mark aus. „Wir entdecken die Talente, aber wenn sie 20 sind, stehen sie zum Verkauf.“ In den nächsten Tagen wird sich vermutlich der 22jährige Georgier Wladimir Stepania, der am Donnerstag Berlins Wendell Alexis nahezu ausschaltete, in Richtung Seattle aufmachen und bei den Sonics einen Vertrag für die nun doch stattfindende NBA-Saison unterschreiben. Zuvor hatte Olimpija bereits Leute wie Marko Milic und Radoslav Nesterovic verloren, ebenfalls NBA-Profis in spe.

Daß die Mannschaft trotzdem so erfolgreich spielt, liegt an ihrer effektiven Jugendarbeit, einem ausgeglichenen Kader und drei relativ billigen Leistungsträgern: dem Amerikaner John Taylor, dem eingebürgerten Arriel McDonald, beide 26, und dem 32jährigen Nationalspieler Jurij Zdovc. „Die Besten in Europa“, sagt Svetislav Pesic über den Backcourt mit McDonald und Zdovc. Die beiden waren es auch, die Alba in der zweiten Halbzeit eines sehr harten, verteidigungsbetonten Matches vor 5.500 Zuschauern nicht mehr in den Griff bekam. Bei Halbzeit hatten sich die Berliner mit ungemein intensiver Defense und rasantem Konterspiel einen 31:26- Vorsprung erkämpft, zehn Minuten vor Schluß waren sie mit ihren Kräften am Ende. „Uns fehlte die Frische“, beklagte Pesic krankheits- und verletzungsbedingte Defizite. Als sich auch noch Spielmacher Kiwane Garris, „der einzige, der Impulse geben konnte“ (Pesic), eine Zerrung zuzog, baute Ljubljana seinen Vorsprung kontinuierlich aus. Zdovc, der 17 seiner 24 Punkte in der zweiten Halbzeit erzielte, löste sich immer wieder von seinen erschöpften Gegenspielern, und da die Berliner nun auch einen Großteil der vielen Freiwürfe, die sie aufgrund von Olimpijas grobschlächtiger Defense bekamen, danebensetzten, waren sie am Ende chancenlos.

„Das Ergebnis entspricht nicht dem Spiel, das lange sehr eng war“, verkündete Zmago Samadin und fügte hinzzu: „Alba hat genug Qualität, um in der Liga zu bleiben.“ Dann entschloß er sich doch noch zu einem Statement in eigener Sache. „Ich bin seit 27 Jahren Trainer“, verriet er, „und ich tue alles, um zu gewinnen. Natürlich bin ich froh, daß wir das Spiel gewonnen haben.“ Ein Aspekt, den man während seiner ausgedehnten Trostlitanei für Pesic beinahe aus den Augen verloren hätte. Die Sympathie beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Schließlich beweist Ljubljanas derzeitiger Höhenflug, daß Albas Konzept, mit jungen Talenten eine Mannschaft aufzubauen, die in Europas Spitze mithalten kann, auch anderswo erfolgreich angewandt wird. Temporäre Einbrüche inbegriffen. „Für uns ist es immer schwierig“, sprach Pesic wohl auch seinem slowenischen Kollegen aus der Seele.