Auf Umwegen zu Kurdischem Fernsehen

Vom Nordirak aus wird ein kurdisches Fernsehsender die Kurden in der Türkei mit Informationen versorgen. Der Sender soll strikt auf Anti-PKK-Kurs sein. Auch türkische Journalisten sind beteiligt  ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Ilnur Çevik gehört zu den Leuten, die sich bei öffentlichen Auftritten eher bescheiden präsentieren. Der Chefredakteur der englischsprachigen türkischen Tageszeitung daily news, dessen Familie auch Eigentümer des Blattes ist, stapelte bei seinem letzten Fernsehauftritt am Mittwochabend besonders tief. Er habe mit „der Sache“ eigentlich gar nichts zu tun, lediglich ein Tochterunternehmen seines Konzerns sei involviert. Die Sache, um die es geht, ist allerdings von hoher Brisanz: die Türkei bekommt ein kurdisches Fernsehen. Zwar nicht offiziell aus Ankara oder Istanbul, sondern vom Nordirak aus, aber es wird überall zu empfangen sein.

Bislang ist die kurdische Bevölkerung, vor allem auf dem Land im Südosten, beim Fernsehkonsum auf die türkischen Sender angewiesen. Es sei denn, man empfängt über eine große Satelitenschüssel, die ziemlich teuer ist, Med-TV. Med-TV, das in Brüssel produziert wird, ist der inoffizille Sender der PKK. Für die türkische Regierung ist dies die Stimme der Terroristen und in Anakara tut man deshalb alles, um den Empfang von Med-TV in der Türkei zu stören oder ganz zu verhindern.

Seit man offiziell zumindestens nicht mehr so tut, als gäbe es Kurden in der Türkei gar nicht, seit zumindestens über die „Kurdenfrage“ diskutiert werden kann, hat sich die Grauzone entwickelt, innerhalb derer im überwiegend kurdisch bewohnten Südosten des Landes Radiosender in kurdischer Sprache geduldet werden. In Diyarbakir und anderen Städten im Südosten, sind kurdische Kassetten und kurdische Publikationen mehr oder weniger offen erhältlich.

Kurdische Musik gehört in den Kneipen zum Alltag, aber weiter geht die Offenheit bis jetzt dann auch wieder nicht. Obwohl der 1993 verstorbene Staatspräsident Turgut Özal kurz vor seinem Tod schon einmal die Frage nach einem kurdischen Fernsehen zur Debatte gestellt hatte, mochte sich bislang keine Regierung dazu durchdringen, einen solchen Kanal wirklich zuzulassen.

Jetzt kommt er doch und zwar über einen Umweg. Offizieller Veranstalter wird die Kurdische Demokratische Partei (KDP) im Nordirak, deren Chef, Mesud Barsani, in Ankara seit längerem ein gern gesehener Gast ist. Tatsächlich mischen jedoch türkische Journalisten in dem Projekt mit, der prominenteste von ihnen ist eben besagter Ilnur Çevik. Çevik, obwohl in der PKK-Frage voll auf der Regierungslinie, gehört zu den liberalen Publizisten in der Türkei, der seit längerem immer wieder eine politische Lösung im Konflikt mit der kurdischen Minderheit anmahnt.

In diesen Überlegungen spielen die Kurden im Nordirak eine komplizierte Rolle. Einerseits waren Barsani und seine KDP im Krieg gegen Öcalan und die PKK direkte Verbündete der türkischen Armee. Auch heute noch hat die türkische Armee im Nordirak Stützpunkte in den von Barsani kontrollierten Gebieten. Auf der anderen Seite befürchtet die Türkei nach wie vor, daß ein allzu unabhängigies, kurdisches Autonomiegebiet im Nordirak eine unerwünschte Ausstrahlung in die Türkei hätte.

Da die KDP dafür garantiert, daß ihr kurdisches Fernsehen strikt Anti-PKK ausgerichtet sein wird, hat das türkische Außenministerium aber signalisiert, daß die Regierung gegen einen Fernsehsender aus dem Nordirak nichts unternehmen werde. Für Çevik und andere ist das eine Chance, in der Türkei eine kurdische Stimme jenseits der PKK zu etablieren.

Seit der Flucht Abdullah Öcalans ist in der Türkei zwar viel von der kurdischen Frage und Reformen im Südosten des Landes geredet worden – passiert ist aber immer noch nichts. Noch nicht einmal der Ausnahmezustand in den Provinzen im Südosten ist aufgehoben worden. Da wäre ein kurdischsprachiges Fernsehen zumindest mal ein erster Schritt. Zur Zeit sind die Vorbereitungen in vollem Gange, um ein Studio und entsprechende Sendeanlagen aufzubauen. Den technischen Aufbau des Studios hat die Tochterfirma der daily news von Ilnur Çevik übernommen. Ein Termin für den Sendestart steht noch nicht fest, aber man will möglichst bald anfangen können.