Gezerre um Ex-Statthalter von Bihać

■ Fikret Abdić soll der Prozeß wegen Kriegsverbrechen gemacht werden. Doch Kroatien verweigert die Auslieferung an Bosnien

Sarajevo (taz) – Vor dem Krieg in Bosnien-Herzegowina galt er als der beste Manager im ehemaligen Jugoslawien. Jetzt muß der ehemals populäre Generaldirektor des ehemaligen Agrarkonzerns „Agrokomerc“ Fikret Abdić fürchten, als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt zu werden. Die bosnische Staatsanwaltschaft jedenfalls hat einen Haftbefehl gegen ihn beantragt. Das UN-Tribunal in Den Haag hatte zuvor den bosnischen Behörden grünes Licht für die strafrechtliche Verfolgung Abdić' gegeben, der heute in Kroatien lebt. Die Richter in Den Haag hatten befunden, es gebe genügend Beweise, die einen Prozeß gegen ihn rechtfertigten. Das Bezirksgericht in Bihać, das über den Antrag entscheiden muß, kündigte an, erneut einen Auslieferungsantrag an Kroatien zu stellen.

Dies ist ein spektakulärer Schritt, den Krieg in der ehemaligen, von Serben angegriffenen Enklave Bihać strafrechtlich zu würdigen. Fikret Abdić, im Oktober 1993 noch Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, rief im November 1993 einen Ministaat in der bedrohten Enklave Bihać aus und befahl seinen militärischen Formationen, gegen die bosnischen Verteidiger Bihać' anzutreten. Der Krieg von Muslimen gegen Muslime kostete bis zum Sommer 1995 rund 2.000 Menschen das Leben.

Die meisten der um die Hauptstadt Velika Kladusa lebenden 40.000 Menschen stützten Abdić. In einem Abkommen mit Kroatiens Präsident Franjo Tudjman wurde ihm ein Freihafen in Rijeka zur Verfügung gestellt, den er nutzte, das Embargo gegen Serbien zu brechen. Seine Lastwagen brachten von beiden Seiten Waren aus Kroatien nach Serbien. Mit dem so verdienten Geld konnte Abdić „seine Bevölkerung“ versorgen und eine eigene Armee aufbauen. Die Anklage bezieht sich darauf, daß Abdić versuchte, Lebensmittellieferungen internationaler Hilfsorganisationen für die hungernde Bevölkerung in Bihać zu behindern. Weiterhin soll er für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein und nach Angaben bosnischer Behörden bis zu 5.000 Menschen in Lagern festgehalten haben. Mit der kroatisch- bosnischen Offensive im August 1995 und der Befreiung Bihać' wurde der Ministaat Abdić' aufgelöst. Er selbst floh nach Zagreb. Erich Rathfelder