USA planen eine abgespeckte Variante von SDI

■ Bill Clinton will mehrere Milliarden Dollar in ein neues Raketenabwehrsystem investieren. Mit der Wiederauflage alter Rüstungspläne gibt der Präsident dem Druck der Republikaner nach

Washington (taz) – 7 Milliarden Dollar will US-Präsident Bill Clinton über die nächsten 6 Jahre in die Weiterentwicklung eines Raketenabwehrsystems stecken. Ob es dann gebaut wird, soll im nächsten Sommer entschieden werden. Derartige Nachrichten gehen alljährlich der Präsentation des Berichts zur Lage der Nation voraus. Die Aufstockung des Verteidigungsetats und die Wiederauflage alter Raketenabwehrpläne dienen nicht nur der Abwehr äußerer Feinde, sondern der Gewinnung von Freunden auf der republikanischen Seite des Kongresses.

Die Idee, Raketen mit Raketen zu bekämpfen, ist nicht neu. „Vierzig Jahre Entwicklungsarbeiten und 108 Miliarden Dollar haben den USA kein funktionierendes Raketenabwehrsystem beschafft“, schrieb dazu letzten Sommer schon John Issacs vom Council for a Liveable World.

Die Idee der Raketenabwehr erreichte ihre größte Publizität und Popularität als Ronald Reagan 1983 seine strategische Verteidigungsinitiative vorstellte, die ein integriertes weltraumgestütztes System von Satelliten vorsah, das anfliegende Raketen mit Laserstrahlen zerstören sollte. Seine Vision bekam sogleich den Beinamen Star War. 55 Milliarden Dollar wurden investiert, bis das Pentagon die Pläne 1993 ad acta legte.

Der Druck auf die Regierung, sie wieder auszugraben, wuchs, als im letzten Sommer der sogenannte Rumsfeld Report von einer doppelten Raketengefahr sprach. Nach wie vor verfügten Rußland und China über Interkontinentalraketen. Eine wachsende Gefahr gehe von der Raketenentwicklung kleinerer, sogenannter Schurkennationen wie Korea, Iran, Libyen und Irak aus.

Die Washington Post veröffentlichte im Juli letzten Jahres einen sensationellen Bericht und wies die Existenz von unterirdischen Anlagen nach, in denen die koreanische No-Dong-Rakete weiterentwickelt und abschußfähig gemacht wurde. Im April schon hatte die republikanische Senatsmehrheit eine Resolution verabschiedet, die den Bau eines Raketenabwehrsystems forderte. Kritiker verwiesen darauf, daß die Schurkennationen nicht über die Technologie verfügten, über lange Strecken Raketen ins Ziel zu bringen und daß andere Trägersysteme für den Transport von Bomben und Giftgas geeignet seien. Der Aufbau einer Raketenabwehr würde außerdem den ABM-Vertrag von 1972 verletzen, der eine Raketenabwehr verbietet. „Raketenabwehr konzentriert sich auf die letzten 15 Minuten eines Angriffs statt ihn im weiten Vorfeld zu verhindern. Die Ratifizierung von Start I und II würde mehr atomare Sprengköpfe zerstören als eine Raketenabwehr je abfangen könnte“, schrieb Andrew Koch vom Center for Defense Information. Peter Tautfest