„Arbeitslosigkeit sinkt um 200.000“

■ Der Vizedirektor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Werner Karr, über die Entwicklung am Arbeitsmarkt

taz: Neue Jobs sind in diesem Jahr kaum zu erwarten, so sagen die Wirtschaftsinstitute voraus. Trotzdem soll die Arbeitslosigkeit sinken. Wie geht das?

Werner Karr: Wir rechnen damit, daß die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt um ungefähr 200.000 zurückgeht. Die Beschäftigung nimmt aber nicht zu. Der Rückgang ist vor allem eine Folge der demographischen Entwicklung. Es scheiden mehr Ältere aus, als Jüngere nachkommen.

Kommen auch weniger Zuwanderer ins Land?

Ja, wir haben erstmals einen negativen Wanderungssaldo. Mehr Menschen verlassen das Land als zuwandern. Es kommen sehr viel weniger Asylbewerber, und viele Flüchtlinge aus Bosnien beispielsweise sind in ihr Heimatland zurückgekehrt.

Wie lange werden diese Effekte anhalten?

Der rein demographische Effekt wird nur in den nächsten zwei, drei Jahren anhalten.

Wenn mehr Ältere ausscheiden als Jüngere nachwachsen, profitieren dann vor allem die Jüngeren von den freiwerdenden Jobs?

Das ist eine Vermutung, die wir nicht eindeutig belegen können. Doch es gibt Anzeichen, die darauf hindeuten. Letztlich ist es doch so, daß die Unternehmen die Älteren nach Hause schicken und dann bei den Neueinstellungen die Besten heraussieben.

Dann müßte es für die sogenannten Problemgruppen, die Älteren, Geringqualifizierten, künftig noch schwerer werden, einen Job zu finden.

Das Alter ist inzwischen ein Kriterium, das stärker durchschlägt als die Qualifikation, wie unsere Untersuchungen beweisen. Wer über 50 ist und eine Arbeit sucht, hat schlechte Chancen, auch bei einer guten Qualifikation. Die meisten Unternehmen wollen diese Leute nicht. Das ist ein Problem. Denn wer mit 50 seinen Job verliert, hat ja immer noch mindestens zehn Jahre bis zur Rente.

Die Bundesregierung will einen Niedriglohnsektor für diese Schwervermittelbaren fördern. Würde das helfen?

Ich kann nur von den Erfahrungen sprechen, die die Arbeitsämter beispielsweise mit Erntearbeit gemacht haben. Wer über 50 und schwer vermittelbar ist, kann in der Regel keinen Spargel mehr stechen, der schafft das nicht mehr. Wer aber Spargel stechen kann und gesund ist, zählt umgekehrt wahrscheinlich nicht zu den Schwervermittelbaren. Das muß man beachten, wenn man auf einen Niedriglohnsektor hofft, um Arbeitsmarktprobleme zu lösen. Interview: Barbara Dribbusch