Bis zum Frieden ist es ein weiter Weg

■ In Kolumbien dominiert Pessimismus die Friedensverhandlungen. Guerilla läßt Entführte frei, rechte Paramilitärs verüben neue Massaker

Buenos Aires (taz) – Die rotgelbblaue kolumbianische Nationalfahne hängt in Übergröße an der Wand, darunter steht ein Holztisch mit weißen Plastikstühlen. Davor sitzt Präsident Andres Pastrana zwischen seinen Beratern und uniformierten Führern der größten kolumbianischen Guerilla, der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc). Pastrana verkündet die Ergebnisse des noch andauernden Treffens mit der Guerilla. Beide Seiten lächeln sich zum Fototermin an und schütteln die Hände. Im gemeinsamen Kommunique heißt es, der Friedensprozeß werde ein langwieriges und schwieriges Unterfangen. Das Ziel sei ein stabiler Frieden mit sozialer Gerechtigkeit. Bei diesen ersten Gesprächen seit sechs Jahren ging es vor allem um die Tagesordnung.

Der Verhandlungsort, das kleine Städtchen San Vincente del Caguán im Süden des Landes, hat noch nie so viele Menschen gesehen. In das verschlafene Nest, das fest in der Hand der Farc ist, reisten unzählige Journalisten, Diplomaten und Beobachter von regierungsunabhängigen Organisationen. Für Pastrana sind die Verhandlungen schwierig. Denn die Guerilla lebt gut von dem Bügerkrieg und finanziert sich durch Steuern, die sie der Drogenmafia abnimmt. Daß Farc-Chef Pedro Antonio Marin nicht zu den Gesprächen erschien, werten viele als Zeichen, daß die Guerilla zeigen will, daß sie die Bedingungen stellt. Die Farc behauptet, daß es gegen ihren Chef Morddrohungen rechter Paramilitärs gebe. Pastrana hat seit seiner Amtsübernahme vor wenigen Monaten viel unternommen, um die Farc an den Verhandlungstisch zu holen. Noch vor seinem Amtsantritt reiste er in den Urwald, um sich mit den Guerilleros zu Vorgesprächen zu treffen. Danach hat er sämtliche Bedingungen der Guerilla erfüllt, die sie an Verhandlungen geknüpft hatte. Dazu gehörte auch, daß er sämtliche Truppen aus der von der Farc regierten Zone abzog, die so groß wie die Schweiz ist. Dort übt die Farc jetzt quasi die Regierungsgewalt aus. In Kolumbien ist man allerdings der Ansicht, daß Pastrana der Farc zu viele Zugeständnisse gemacht hat. Nach einer Umfrage der Tageszeitung El Espectador glaubt die Mehrheit der Befragten, daß die Verhandlungen sehr lange dauern werden und daß die Farc mehr dabei herausholen wird als die Regierung. Zwar lesen sich die Forderungen der Farc nach Landreform, Gesundheitsposten und Bildungsprogrammen moderat. Gerade in der Frage der Landreform und der Umverteilung des Reichtums liegt der Knackpunkt. Es ist unsicher, ob Pastrana bei der Diskussion dieser Punkte seine Wähler aus dem Bürgertum hinter sich hat. Auch die rechtsextremen Paramilitärs dürften ihre von der Farc geforderte Entwaffnung kaum mitmachen. Als Zeichen guten Willens entließ die Farc am Wochenende einen vor drei Monaten entführten kanadischen Unternehmer. Auch die Guerilla des „Nationalen Befreiunsheeres“ (ELN) ließ anläßlich der Friedensgespräche den entführten Münchener Touristen Ottmar Bode frei. Derweil massakrierten die Paramilitärs seit Donnerstag mindestens 60 Menschen im Norden des Landes. Sie haben etwa 3.000 Kämpfer und machen oft mit der Armee und Großgrundbesitzern gemeinsame Sache. Auch die Drogenmafia dürfte wenig Interesse an einem Friedensvertrag haben. Ingo Malcher