Hamburgs Billigjobs für die EU

Im öffentlichen Dienst der Hansestadt drohen einschneidende Tarifsenkungen. Stadtreinigung, Wasser- und Gaswerke sind als erste dran  ■ Von Florian Marten

Mehr als 200 Hamburger BusfahrerInnen warfen nach dem niedrigen Tarifabschluß vom 9. Dezember 1998 ihre ÖTV-Mitgliedsausweise weg, die IG Metall kam mit ihrem Lohnsenkungs-Abschluß bei den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) noch halbwegs glimpflich davon, bei Hamburgs Müll- und Wasserwerkern sowie Hein-Gas-Kumpeln aber steht das böse Erwachen noch bevor: Europaweite Bestimmungen sorgen für die Senkung von Löhnen und Tarifstandards im Öffentlichen Dienst. „Die nächsten Jahre werden schrecklich“, schwant dem scheidenden Hamburger ÖTV-Vorsitzenden Rolf Fritsch.

Für die Beschäftigten hat das drastische Konsequenzen. Die bei der Hochbahn (HHA) beschäftigten Busfahrer hatten dank einer starken ÖTV in Jahrzehnten ein Tarifniveau erstritten, welches um bis zu 30 Prozent über dem der Tarifverträge im privaten Busgewerbe liegt. Auch bei der Stadtreinigung liegt das Niveau deutlich über den Tarifen der öffentlichen Entsorger, der privaten Entsorger und dem besonders niedrigen Tarif im Speditionsgewerbe.

Alle drei sind pikanterweise ÖTV-Tarife. Die muß nun ihren Mitgliedern erklären, warum nun die vergleichsweise hohen Tarife im öffentlichen Bereich auf das private Niveau purzeln sollen. „Manche unserer Mitglieder verlangen“, so weiß Rolf Fritsch, „daß wir uns in der Wagenburg verschanzen und durch die Schießscharten auf alles ballern, was an Veränderungen kommt. Das geht aber nicht.“

Schon 1996 hatten ÖTV, HHA und Baubehörde eine schrittweise Absenkung des Lohnniveaus bis zum Jahr 2001 vereinbart. Bei den HEW wurde die Altbelegschaft mit Besitzstandsgarantien geschont, für Neueinsteiger gibt es niedrige Einstiegstarife, geringere Zuschläge und eine abgespeckte Altersversorgung.

Hamburgs Müllwerkern, traditionell eine der kampfstärksten Bastionen der ÖTV, steht die Dumping-Runde noch bevor: Die Stundenlöhne von derzeit 23 Mark könnten mittelfristig auf das Niveau des Speditionstarifs fallen, in dem heute gerade mal 12 Mark gezahlt werden. Auch bei den Wasser- und den Gaswerken drohen knallharte Lohnverhandlungen: Beide müssen die Kosten senken, um gegen europäische Konkurrenz bestehen zu können.

Gemeinsame Ursache der Lohnsenkungswelle ist das Deregulierungsprogramm der Europäischen Union, welches seit der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes am 1. Januar 1993 Schritt für Schritt verwirklicht wird. Und jetzt sind die öffentlichen Dienstleister dran, denn Übergangsfristen laufen aus. Alle staatsbetrieblichen Monopolnetze werden jetzt für die private Konkurrenz geöffnet.

Um das Schlimmste zu verhindern, bemüht sich die ÖTV um eine Art „Zangenbewegung“: Die niedrigen Tarife in den privaten Branchen sollen überproportional steigen, der Abbau in den alten öffentlichen Monopolbetrieben soll zeitlich gestreckt werden. Wichtiger vielleicht noch: SPD-Bausenator Eugen Wagner und HHA-Chef Günther Elste schlossen eine Vereinbarung, nach der Hamburg erst ab dem Jahr 2003 Busverkehrsleistungen öffentlich ausschreiben wird. Die Hochbahn hätte so noch etwas Zeit, um konkurrenzfähig zu werden.