Schnappreflexe ausgelöst

■ In der Neustadt wird der Entwurf der Großen Koalition für ein neues Hochschulgesetz skeptisch gesehen / Hochschul-Konvent fordert Änderungen

Die Uhr im Raum E 400 der Hochschule Neustadt bleibt beharrlich auf 11 Uhr 54 stehen. In einer Woche, am 20. und 21. Januar, werden alle Bremer Hochschulen vor der Bürgerschaft nach ihrer Meinung zur geplanten Änderung des Bremischen Hochschulgesetzes (BreHG) gefragt. Buchstäblich um fünf vor zwölf hat sich der 61-köpfige Konvent der Hochschule, das größte Uni-Gremium in der Neustadt, zusammengesetzt, um sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Wie steht die Hochschule zu dem Vorhaben der Großen Koalition, Studiengebühren für Zusatzstudiengänge einzuführen? Was sagt man zu der Idee, daß die Macht der Dekane und des Rektors ausgeweitet werden soll, die Gremien aber Kompetenzen abgeben sollen? Ist es hinzunehmen, daß Studiengangskommissionen, in denen Lehrende und Lernende das Kursangebot beraten, ersatzlos gestrichen werden?

Die bildungspolitische Sprecherin der CDU, Elisabeth Motschmann, hatte in ihrer Gastrolle gestern keinen leichten Stand gegenüber dem Konvent. Ginge es nach ihr, würde auch dieses Gremium abgeschafft, um die Hochschule zu zwingen, „Strukturen wie ein großes Unternehmen“ einzuführen. Doch mit solchen Formulierungen provozierte sie nur die Schnappreflexe aller vertretenen Gruppen vom Prof bis zum Studi. „Die Demokratie soll nicht am Werktor enden“, hub eine Vertreterin der Lehrenden an, und gerade an der Hochschule werde dies sehr ernst genommen. Ohne entscheidende Gremien aber würde das zur Farce. Und ein Professoren-Vertreter sekundierte, daß die Autonomie der Hochschulen nicht gestärkt werden könne, indem man die Gremien der Selbstverwaltung schwäche.

Motschmann räumte ein, daß man sich derzeit noch in einem Diskussionsprozess befände, der ein oder andere Punkt des Gesetzentwurfes also durchaus noch geändert werden könnte, wenn die Pläne „so negative Reaktionen“ hervorriefen. „Ich habe den Eindruck, daß man gegen alles ist, was neu gemacht werden soll“, erkannte sie in ihrem letzten Redebeitrag recht trefflich und kritisierte das Beharrungsvermögen der universitären Gremienlandschaft.

Tatsächlich besteht im Detail noch jede Menge Erklärungsbedarf. Warum in Zukunft auf die bewährten Studiengangskommissionen verzichtet werden sollte, konnte auch sie nicht erklären. Der Entwurf sei eben ein Kompromiß mit der SPD, deutete die Christdemokratin an. Ihre sozialdemokratische Kollegin konnte sich nicht wehren, weil sie der Einladung des Konvents nicht gefolgt war.

Wie ein Heimspiel mußte die fast dreistündige Diskussion dagegen auf den grünen Bildungspolitiker Hermann Kuhn gewirkt haben. Punkt für Punkt wurden die Hochschulwünsche für ein zukünftiges Bremisches Hochschulgesetz abgearbeitet, und in der Summe ähnelten die Vorstellungen sehr dem Entwurf, den die Grünen schon letztes Jahr als Alternative in den Ring geworfen hatten. Auch die Studierenden bekamen ihren Antrag locker durch, in dem Studiengebühren für Zusatzstudiengänge klar ablehnt wurden. Soviel Einigkeit ist selten in Unigremien. Wenn die Stimmungslage an anderen Hochschulen Bremens ähnlich ist, wird sich die Große Koalition in der öffentlichen Anhörung warm anziehen müssen.

Christoph Dowe