Ein Teil der Musikstadt Bremen

■ Am Wochenende veranstaltete die Gesellschaft für Neue Musik das Preisträgerkonzert mit dem weltberühmten Ensemble Modern

Die „Musikstadt Bremen“: Wenn sie denn je entsteht, so gehört unbedingt dazu, was am Wochenende das Atelier Neue Musik an der Hochschule für Künste organisierte: die diesjährige Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Neue Musik (GNM), der deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik. Nun wären die Probleme eines gemeinnützigen Vereins nicht unbedingt von öffentlichem Interesse, wenn nicht am Abend das Konzert des Ensembles Modern gewesen wäre. Mitglieder dieses selbst verwalteten, 1980 gegründeten und zu Recht weltberühmten Ensembles interpretierten Werke von jungen Komponisten. Die Auswahl traf eine Jury, die über hundert Werke begutachtet hatte.

Zum Hintergrund: Es wird immer schwerer, Gelder gerade für zeitgenössische Kunst zu aquirieren. Und die Verführung, gut verkaufbare Projekte zu machen, mit großen Namen Festivals und Konzerthäuser zu bedienen, ist nicht nur groß, sondern manchmal überlebensnotwendig. Damit schwinden aber die Aufführungsmöglichkeiten für die Werke junger Komponisten enorm. Dagegen gründete die GNM vor vier Jahren ein Nachwuchsforum. Mit Unterstützung des Siemens-Kulturprogrammes wurde der Wettbewerb ausgeschrieben. Die Preise sind eben nicht ein Stipendium oder bares Geld, sondern für die Komponisten Aufführungen durch das Ensemble Modern. Sinnvoller kann man kaum fördern.

Nun ist diese Initiative in Frage gestellt, da Siemens sich wieder zurückzieht, nachdem die Firma satzungsgemäß eine Anstoßförderung geleistet hatte. Ob das Ensemble Modern selbst die Verantwortung übernehmen will, steht noch in den Sternen, denn dort gibt es ein Finanzloch von 350.000 Mark. Das Ensemble Modern lebt maßgeblich von der GEMA-Stiftung (ca. 400.000 Mark pro Jahr), deren Gelder ihm einst durch den Einsatz der GNM zuteil wurden, und verschiedenen Sponsoren, spielt aber achtzig Prozent des Etats selbst ein.

Nun also das Konzert, das in jedem Stück die Unsinnigkeit von Krzysztof Pendereckis Behauptung, das „erkundete Material sei erschöpft“, bewies (vgl. taz vom 11.1.). Alle Kompositionen zeigten einen entschiedenen und kräftigen Personalstil, auch wenn das ein oder andere leicht kunstgewerblich wirkte. Das Schweigen, die Stille, die Pause spielt wieder eine große Rolle: so im Streichquartett des Koreaners Yong-ju Lee oder – noch überzeugender – in „Reflections“ für sieben Spieler von Vadim Karassikow. Dieses Stück ist so leise, daß mein Filzstift die Klänge geradezu überdröhnte, dabei aber von großer innerer Kraft.

Daß man auch durchaus traditionelle Momente wiedergeben kann, ohne ein Epigone zu sein, zeigte Martin Crushmann mit seinem Quintett. Kaum hatte man sich in den debussyistischen Klängen eingerichtet, nahm das Stück einen anderen Verlauf, indem sich mit viel Aktion Attacke an Attacke reihte. Konzeptionell interessant, aber zu langwierig „Recordame“ für Klavier und Recorder – ein Stück von Thomas Wenk, das mit gespeicherten Fragmenten spielt. Von Wolfgang Dimetrik brillant interpretiert wurde das Akkordeonstück „Jeux d'Anches“ von Magnus Lindberg. Viel Power war auch in „Kyklop“ von Peter Köszeghy. Der Dirigent Renato Rivolta leitete die Ensemblestücke souverän. Das Problem, ob es noch was zu sagen gibt, haben diese Komponisten nicht. Auch nicht das, wie sie es sagen. Das war das überregional Aufregende an diesem Konzert in der „Musikstadt Bremen“. Ute Schalz-Laurenze