Nächtliches Scheppern als Hebel

■ Wird das Bremerhavener Containerterminal weiter verlängert, droht einem Dorf der Lärmtod

Weddewarden ist gefragt. Während der Stadt Bremerhaven insgesamt die Einwohner zu Tausenden davonlaufen, verzeichnet das Dörfchen hart an der nördlichen Landesgrenze beachtlichen Zulauf. Zwei neue Wohngebiete sind in dem 650-Seelen-Ort hinter dem Weserdeich im Entstehen, trotz der unangenehmen Perspektive Weddewardens. Denn wenn es nach den Vorstellungen der bremischen Hafenwirtschaft und des Hafenressorts geht, wird dem Ort in wenigen Jahren eine weitere Ausbaustufe des Containerterminals hart auf die Pelle rücken. Auch das Schicksal Finkenwerders, das dem Ausbau des Hamburger Hafens zum Opfer fiel, ist nicht völlig auszuschließen.

Der Containerverkehr über die Weltmeere wird weiter zunehmen, ist Häfensenator Uwe Beckmeyer (SPD) überzeugt. Steigerungen für die bremischen Häfen hat sich das Hafenressort schon 1997 von der Essener Planco Consulting bescheinigen lassen. Fazit: 2015 müsse die Stromkaje an der Außenweser mindestens 3.700 Meter lang sein. Mit der bereits beschlossenen Verlängerung des Terminals (genannt CT 3a) bis zum ehemaligen Fort Brinkamahof und dem Grauwallkanal kommen 3.100 Meter zusammen. Eine weitere Verlängerung als CT 4, auch ins ökologisch wertvolle Deichvorland, ist aus Sicht der Hafenlobby unvermeidlich, will Bremerhaven seinen Wettbewerbsvorteil als deutscher Containerhafen am offenen Meer verteidigen.

Alle möglichen Alternativstandorte für einen neuen Containerterminal scheiden nach Ansicht von Beckmeyers Hafen-Abteilungsleiter Ingulf Piorkowski aus. Weiter stromaufwärts auf der Luneplate fehle der nötige Tiefgang, das Fahrwasser in der Weser-Kurve vor Blexen berge Risiken für große Pötte und Nordenham biete zuwenig Platz zwischen einer möglichen Kaje und dem Beginn des Ortes. Bleibt CT 4. „Das wird das eine oder andere Problem geben“, prophezeit Professor Manfred Zachcial vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) an der Bremer Universität. Zwar hat das ISL vorgeschlagen, einen Verbund mit den niedersächsischen Häfen auszuloten. Aber als Kronzeuge gegen CT 4 will Zachcial dennoch nicht dastehen. Das sei ein schwieriges Diskussionsfeld. „Es wäre tödlich, nichts zu tun und die Reeder nach Rotterdam abwandern zu lassen“, warnt der Verkehrswissenschaftler. Dennoch müsse man mit den Kunden verhandeln. Denn bisher ballen sich die Ankunftszeiten der Frachter am Freitag und Samstag, während dienstags und mittwochs Leere an der Kaje herrscht.

„Wir können nur warnen, CT 4 weiterzuplanen“, sagt Ulf Jacobsen, Sprecher der Bürgergemeinschaft Weddewarden. Rücke die Betriebsfläche des Terminals näher heran, würden sich „rechtlich Hafen und Dorf nicht mehr vertragen“. Denn das Stapeln der Blechkisten macht Krach. So viel, daß laut Jacobsen an der Lärmmeßstelle am bestehenden Containerterminal schon heute die nachts zulässigen 40 Dezibel „lange überschritten“ werden.

Bei der Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG), die den CT betreibt, wird an Lärmminderung gearbeitet. Aber während ein sanfteres Absetzen der Container auf dem Lagerplatz an Land den Experten durchaus möglich erscheint, wird sich das Scheppern beim Aufladen auf schwankende Schiffskörper kaum vermeiden lassen. „Der Lärm in der Nacht ist unser juristischer Hebel gegen den Ausbau“, sagt Initiativensprecher Jacobsen. Im Hafenressort verfolgt man die Strategie, den Terminal möglichst schmal zu halten und den Grauwallkanal nach Norden zu verschwenken, als Puffer zwischen Terminal und Dorf. Zusätzliche Liegeplätze sind wichtiger als große Flächen dahinter. Das Dorf komplett zu räumen, kommt offiziell nicht in Frage.

Aber eine andere entscheidende Frage ist noch lange nicht geklärt. Wer CT 4 mit welchem Geld bezahlen soll, ist völlig offen. Nachdem schon die mehr als 500 Millionen Mark für die neueste Ausbaustufe CT 3 über 40 Jahre finanziert werden müssen, sieht der Häfensenator keine Möglichkeit, die nächste Mega-Investition wieder auf Pump zu bezahlen. Immerhin kostet jeder Meter sturmflutsicherer Stromkaje eine Million Mark. CT 4 käme also mindestens auf 700 Millionen Mark. Harry Körber

Heute finden zwei Veranstaltungen zum Thema statt. Um 19 Uhr lädt die SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen um 19 Uhr in die Gaststätte „Zum Deutschen Haus“, Lange Straße 114. Um 20 Uhr beginnt in der Aula der Anne-Frank-Schule in Weddewarden, Wurster Straße 387, eine Diskussion der CT-4-Gegner von Grünen und Bürgerinitiative. Senator Beckmeyer, war bei beiden eingeladen, zog aber die SPD-Genossen vor. Oberbürgermeister Manfred Richter (FDP) ist wegen des Neujahrsempfangs verhindert.