■ Die Grünen, der Spritpreis und der ganze Rest der Republik
: Pawlowscher Reflex

Manches wird sich nie ändern. Da macht eine Grüne pieps zur Benzinsteuer, und prompt regt sich wieder alles auf. CDU, FDP, ADAC, Bund der Steuerzahler und natürlich auch ein paar SPDler. Selten funktioniert der pawlowsche Reflex so gut wie beim Spritpreis. Doch was hat die grüne Parteichefin Gunda Röstel eigentlich Schlimmes gesagt? Durch den Verfall des Rohölpreises sank auch der Benzinpreis. Also, so die Grüne erfreut, gebe es nun Spielraum für Benzinpreiserhöhungen von mehr als sechs Pfennig in den kommenden beiden Ökosteuerschritten. Was, bitte, ist denn daran so schrecklich?

Auch dem letzten SPD-Politiker müßte eigentlich klar sein, daß der Benzinpreis im nächsten Ökosteuerschritt stärker als sechs Pfennige erhöht werden muß. Denn im zweiten und dritten Schritt sollen jeweils wieder 12 Milliarden Mark erwirtschaftet werden, um die Lohnnebenkosten von 42,3 Prozent jetzt auf dann unter 40 Prozent senken zu können, wie es die Koalition versprochen hat. Schon dieses Mal stieg der Strompreis mit mehr als sechs Prozent deutlich stärker als der Benzinpreis (plus vier Prozent). Auch trifft der Strompreis viel eher die sozial Schwächeren. Schon deshalb wird auch die SPD aus eigenem Interesse nicht darum herumkommen, nächstes Jahr mehr als sechs Pfennig draufzulegen auf den Benzinpreis.

Das ist gut so, denn beim Strom zahlen wegen der ermäßigten Sätze für die Industrie die privaten Verbraucher den Löwenanteil des Ökosteueraufkommens, bekommen aber über die Lohnnebenkosten nur die Hälfte zurück. Beim Benzin sind aber die Privaten nicht viel stärker als die Wirtschaft betroffen.

Beim ersten Schritt machte die Spritsteuer etwa ein Drittel des Aufkommens aus, bei den kommenden Schritten wird es mehr sein müssen. Unter neun Pfennig wird es kaum ausgehen, denn auch die SPD kann die 12 Milliarden nicht herbeizaubern. Eine zweistellige Erhöhung ist wahrscheinlicher. Seit der Wiedervereinigung nahm der Spritverbrauch jährlich um rund ein Prozent zu. Auch mit sechs Pfennig mehr wird der Sprit zu billig sein. Im EU-Vergleich liegt Deutschland im unterem Drittel der Preisskala, in Großbritannien kostet der Liter gut 30 Pfennig mehr.

Einen Stopp des Anstiegs des Spritverbrauchs oder gar weniger Verkehr kriegt man auch mit zehn Pfennig Ökosteuer nicht zuwege. Aber davon spricht selbst die grüne Parteichefin nicht mehr. Nur deshalb kann sie sich freuen, daß der Rohölpreis gesunken ist. Das ist zwar schlecht für die Umwelt, macht aber das Regieren leichter. Matthias Urbach