Letztes Reihendorf in Gefahr

■ Bürgerinitiativen gegen Flächenfraß: Neue taz-Serie, Teil 2

Elf Höfe stehen an der Osterholzer Dorfstraße eng nebeneinander. Das Reihendorf ist eines der letzten in Deutschland – seine Ackerflächen erstrecken sich in sogenannten Hufen hinter den Höfen. Die als „Osterholzer Feldmark“ bekannte Fläche von 220 Hektar ist bislang als Landschaftsschutzgebiet anerkannt – und soll es auch bleiben. Dafür kämpft der „Verein Osterholzer Feldmark“ seit neun Jahren, mit Großdemos, Plakatwänden und Überzeugungsgesprächen in der Bürgerschaft.

Auf 115 Vereinsmitglieder hat es der Vorsitzende Claus Aumund-Kopp mittlerweile gebracht, mehrere Demonstrationen mit bis zu 500 Protestlern organisiert, und parteiübergreifend AnwohnerInnen und Menschen aus dem Stadtteil zum Mitwirken motiviert. Der Bürgeraktivismus hatte Anfang der 90er – kurz nach Vereinsgründung – sogar den gewünschten Erfolg gebracht: Damals nahm die SPD-Alleinregierung Abstand davon, die Feldmark mit Wohnungen und Gewerbe zu beplanen. „Die haben uns damals gesagt: Wenn ihr nicht gewesen wärt, hätten wir das schon gemacht“, erinnert Aumund-Kopp an vergangene glückliche Tage.

Denn heute, in Zeiten der großen Koalition, ist alles anders: Die Osterholzer Feldmark ist wieder in Gefahr. Bausenator Bernt Schulte (CDU) will das Landschaftsschutzgebiet mit Gewerbe (30 Hektar), rund 1.500 Wohneinheiten (80 Hektar) und einem sogenannten Landschaftspark (110 Hektar) „zupflastern“, kritisiert der Verein. Die groß-koalitionären Baupolitiker haben die Pläne in der Baudeputation schon abgenickt – jetzt muß nur noch die Bürgerschaft grünes Licht geben. „Aber wir haben Hoffnung, daß die Koaltion noch Vernunft annimmt“, meint der Vereinsvorsitzende, „unter der Hand haben uns sowohl SPDler als auch CDUler versichert, daß sie das eigentlich gar nicht wollen.“

Und dafür gibt es laut Verein viele gute Gründe: In Osterholz sind jede Menge Flächen frei, um Wohnungen zu bauen, sagt Aumund-Kopp. Durch die Pläne verliere Osterholz jetzt seine „letzte grüne Lunge“ – und gewinne doppelt soviel Verkehr hinzu. Schon jetzt rollen täglich 15.000 Autos über die Osterholzer Heerstraße – wegen des Einkaufszentrums Weserpark am Bremer Kreuz und dem riesigen Daimler-Werk in Sebaldsbrück. Das Landschaftsschutzgebiet müsse deshalb zum Wohle der Bevölkerung erhalten bleiben, folgert der Vereinsvorsitzende.

Aber auch zum Wohle der ansässigen Landwirtschaft, meint Aumund-Kopp – selbst Bauerssohn und deshalb besonders „in Brass“ gegen die Pläne des Bausenators. Schließlich will der genau dort bauen lassen, wo die Osterholzer Bauern bisher ihre fruchtbarstenÄcker hatten. Die nicht zu bebauenden Flächen liegen gleich hinter den malerischen Fachwerkhöfen und bieten nur schlechten Sand.

Trotz aller Sorge um die landwirtschaftliche Zukunft habe der Verein auch die Interessen „der ganz normalen“ Osterholzer im Blick, beteuert der Vorsitzende. Und so brütet der Verein über attraktiven Alternativen zum Senatsplan: Ein neuer Lehrpfad mit organisierten Führungen ist eine seiner Zukunftsvisionen. Denn bislang konnten die Osterholzer nur beschwerlich über Feldwege durch die Feldmark gehen. Auch neue Baumpflanzaktionen sind geplant, sagt Aumund-Kopp. Da haben die Senatspläne durchaus zu einem ganz neuen naturschützerischen Aktionismus beigetragen. kat