Elefantendonnern und Götterdröhnen

■ Das letzte Philharmonische Konzert widmete sich Rachmaninow und Skrjabin

Dröhnender Orchesterklang satt – im letzten Abonnementskonzert der Philharmonischen Gesellschaft rauschte es gewaltig. Da erklang zu Beginn das 3. Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow, jenes, das der Komponist selbst als „Musik für Elefanten“ bezeichnet hat.

Eine interessante Aussage vor dem Hintergrund, daß Rachmaninow ja einer der führenden Pianisten seiner Zeit war und dieses Konzert für sich selbst geschrieben hat. Hier schlug es uns Rolf Plagge ohne sichtbare Schweißperlen bravourös um die Ohren, David Helfgott wäre vor Neid erblaßt.

Doch Plagge verstand sich nicht nur als Donnerer: transparent spielte er die vertrackt polyphonen Strukturen und äußerst zart die doch zahlreichen lyrischen Momente. Wobei es bei der Interpretation dieses Konzertes vor allem die Dispostion der Kräfte zu bewundern galt. Da blieb bei Rolf Plagge kein Wunsch offen. Die Begleitung unter der Leitung von Ulf Schirmer wirkte zwar sehr genau, betonte aber auch die herausragenden äußerlichen Effekte.

Sergej Rachmaninow mit seiner fast einfach-emotionalen Musikauffassung und der Betonung seiner russischen Seele (“Meine Musik ist das Produkt meines Temperamentes – und daher russisch“) hat in seinem Landsmann Aleksandr Skrjabin einen geradezu gegensätzlichen Kollegen, verstand dieser doch die Kunst als einen mythischen Sendungsauftrag, den er in der dritten Sinfonie „Le Divin Poème“ (1902 bis 1904) gewaltig und programmatisch gestaltet.

Denn hier geht es um nichts weniger als um den Kampf zwischen einem durch eine personifizierte Gottheit Versklavten und einem freien Menschen, der die Gottheit in sich trägt. Im dritten Satz „Jeu divin“ gewinnt dieser die vollkommene Freiheit des Geistes. Musikalisch wird das realisiert durch harmonische Grenzüberschreitungen von hybrider Maßlosigkeit.

Ulf Schirmer leitete das Philharmonische Staatsorchester durch die wuchtigen ausdrucksstarken Klangmassen. Seine Gestik mit der häufig geballten linken Faust oder dem zumeist zackig wedelnden linken Arm wirkte zu einseitg und bewirkte eine Dauerforcierung, die überzeugende Aufbauten nur begrenzt erlaubten. So gut einiges klang, so war die Gefahr des unmotivierten Dröhnens doch zumindest nahe. Diese Interpretation unterstützte eine Ansicht, daß ein derartiges Riesenwerk nur noch im musikhistorischen Kontext interessant ist.

Doch das ist ein zu einseitiger Blick auf Skrjabin, der von der rigiden Ästhetik des „sozialistischen Realismus“ als prototypischer Vertreter der spätbürgerlichen Dekadenz angesehen und entsprechend negiert wurde. Zu viele Subtilitäten und vor allem Klangfarbenkonstellationen wollen unter der Polterei gehört werden. Im mäßig besetzten Saal gab es vor allem für Rolf Plagges Vorstellung viel Beifall.

Ute Schalz-Laurenze