Ärger im Sprecher-Paradies

Konkurs der Autoren-Synchron sorgt für Aufruhr in Hamburgs Filmbranche  ■ Von Florian Marten

Hinter der Kulissenwelt des Medienvorzeigebetriebs Studio Hamburg in Jenfeld brodelt es gehörig. Die heile Welt der Hamburger Synchron-Branche ist derzeit völlig aus den Fugen. Anlaß ist der Konkurs der Autoren-Synchron, einem mittelständigen Unternehmen mit 13 Beschäftigten. Gagen in einer Gesamthöhe von 350.000 Mark für freie MitarbeiterInnen sind perdu – so beispielsweise für diejenigen, welche der letzten Staffel der Sesamstraße ihre Stimme liehen.

Im Zentrum des Zorns der um ihren Lohn geprellten SchauspielerInnen steht der über 70jährige Hans-Joachim Wulkow, Eigentümer der Autoren-Synchron. Mit brüchiger, leiser Stimme offerierte er auf einer von der IG Medien bei Studio Hamburg veranstalteten Diskussionsveranstaltung seine Sicht der Dinge: Die Hamburgische Landesbank habe ihn durch Kündigung eines Überziehungskredits überraschend in den Konkurs getrieben. Die Gagen hätten deshalb nicht mehr ausgezahlt werden können – die Landesbank habe sie zum Ausgleich ihres Kredits von 500.000 Mark einfach eingesackt.

Die rund 100 Medienschaffenden im Saal wollten diese Story nicht glauben: Wulkow sei ein „Betrüger“, der Aufträge auch dann noch vergeben habe, als er wußte, daß er sie nicht bezahlen konnte. Ein Teil des Zorns bekam auch der NDR ab: Durch die Vergabe von Aufträgen an Billiganbieter wie Autoren-Synchron sei er indirekt am Desaster schuld. Manche sahen gar ein Dumping-Kartell am Werk, welches den ganzen Markt ins Rutschen bringe und das bislang recht auskömmliche Einkommen der SprecherInnen mit Gagen von rund 600 Mark pro Arbeitstag bedrohe.

Tatsächlich ist der Wettbewerb in der einstmals so idyllischen Synchron-Branche knochenhart geworden. Der Boom privater Fernsehsender sorgte ab Anfang der 80er Jahre für eine Art Goldgräberstimmung: Vor allem in Hamburg, München und Berlin schossen neue Studios aus dem Boden. Nach der Wende aber boten arbeitslose DDR-Schauspieler und junge Berliner Büros ihre Leistungen plötzlich viel billiger an. Zugleich begannen die Medienanstalten auf den Pfennig zu achten – Aufträge werden jetzt häufig per Ausschreibung und Niedrig-Preis vergeben.

Die Versammelten wollen aber nicht klein beigeben. „Ungeheuer positiv“ wertet der Schauspieler Rolf Becker, Mitglied im Ortsvorstand der IG Medien, den Beschluß, einen SprecherInnenrat zu bilden. Der soll sich nicht nur um die ausstehenden Gagen kümmern; in Gesprächen mit Wirtschaftsbehörde und NDR soll verhindert werden, daß die Branche weiter in den Sog der Berliner Billig-Anbieter gerät.

Für den NDR hat sich die Vergabe des Sesamstraßen-Auftrags an Autoren-Synchron schon jetzt gerächt: Da die SprecherInnen keine Gage erhalten, sind die Urheberrechte für das synchronisierte Material nicht beim NDR angekommen. Der Sender wird jetzt wohl ein zweites Mal für Berts und Ernies Stimmen zahlen müssen.