Roter Schal im weiten Raum

■ Im Bremer Flughafen hängt jetzt ein großes Modell der künftigen Raumstation ISS unterm Oberlicht. Die Dasa lud gestern zur Präsentation des europäischen Beitrags

Menschen sind schön. Am Flughafen wartet kastanienbraum eine Menschin auf den Flieger aus Brüssel und trägt einen roten Schal, uns zur Liebe. Nackt klappert draußen die kahle Natur und träumt von sommerlicher Photosynthese. Warten ist existenziell. Auch die Dasa wartet noch, aber ihr Herr Floete für Strategien und Zukunftsstudien ist wunderbar dynamisch. So nett und frisch in seiner blauen Fliegerjacke, daß man ihn gern einmal fragte: Wollen Sie auch Astronaut werden?

Ja, mit einer kleinen Rakete möchte er gerne mal fliegen. Nur zur Raumstation ISS hoch, die sich gerade, Stück für Stück am Himmel zusammensetzt, nein: soweit möchte er nicht. Auch hier ist es schön. Grün fliegt jetzt Herr Floetes grüne Krawatte durch hellblaue Druckknöpfe, und über der Wartehalle von Bremens Flufhafen und ganz rot sitzt unten die junge Frau mit dem knallroten Schal. Dazwischen hängt leider die ISS.

Aber das narrative Vermögen des Menschen ist ja auch zu rhetorischen Abstürzen fähig. Und dann säße also unten die Frau, ein Heft auf den Knien – „viens à Bremen avec nous“ – wartet auf den Flieger aus Brüssel und sieht oben zwei Männer – (mich!) – und einen grünen Schlips. Auch das ist möglich. Dazwischen fliegt aber immer noch die ISS, die größte Station im weiten Weltenraum. Nicht gerade schön und glücklicherweise nur ein Modell – aber doch groß und apart mit all seinen auswuchernden, kahlen Verästelungen. Und mit den riesigen Solar-Segeln für die Photovoltaik – sommers wie winters. Der Bremer Flughafen und die Dasa haben sie jetzt da oben zwischen Ankunftshalle und Oberlicht zum Vergnügen der Ankommenden aufgehängt: Bremen – Stadt der Luft und der Raumfahrt. Aber die lila Solarzellen sind doch ganz schön groß. Alle Raumstationen haben solche Photovoltaikanlagen, sagt ganz ruhig Herr Floete, wier sollten sie sonst zu der nötigen Energie kommen. Warum also nicht auch dieses schöne, neue Modell von der weltweit größten Raumstation, die es noch gar nicht gibt.

Es wird sie aber geben. Die Dasa arbeitet daran und die Amerikaner, die Japaner, die Russen. Und die Italienerfranzosenbrasilianerkanadier übrigens auch. Die Chinesen und Südafrikaner möchten gern. „Und die Schwellenländer wie Indien und Taiwan sind ganz erpicht auf die Raumstation; – die verfeindeten Nationen, alle zusammen“, sagt Herr Floete. Im Jahre 2004. Bei Sonnenschein und Menschenglück werden wir sie dann auch an Bremen vorbeikreisen sehen mit 51,6 Grad zum Äquator geneigt und Blick auf fast die ganze bewohnte Erdoberfläche. Wir können warten. (Auch der Flieger aus Brüssel ist noch nicht da).

Schon schweben die ersten einsamen russischen Module als Vorposten dort droben, hinter dem Bremer Oberlicht, in Florida aber hat Cap Canaveral fürs Jahr 2003 schon die Dasa und ihr kleines europäisches Raumhäuschen vorgebucht. Das Forschungslabor Columbus, das sich dann kurz vor Schluß seinen Platz im interstellaren Weltdorf zugewiesen bekommt. An die silberglänzenden Module der Amis und der Japaner soll es sich andocken – am anderen Ende der Raumstation sitzen die Russen: der Westen, der Osten, beide mit eigener Rettungskapsel wie im richtigen Leben.

„Als Geistesnation verspüren wir den Drang zu forschen“, sagt Herr Floete und eigentlich meint er das bestimmt nicht so volksdeutsch, wie das hier klingt, denn recht eigentlich hat Herr Floete sogar etwas Napoleonisches an sich. Grundlagenforschung im Weltraum befriedigt erdumspannenden Wissensdrang, weiß der Dasa-Stratege und die ISS (International Space Station) wird dafür da sein. Wie eine Sonde im kleinen Makakenhirn, so setzt die fußballfeldgroße Raumstation sich in den Raum – und in ihrem Inneren, in den vielen engen Labors für Material- und Flüssigkeitswissenschaften, für Biologie und Humanphysiologie wird auch für so manches Astronauten-Experiment am eigenen Leibe gesorgt sein. Zum Wohle der Osteoporoseforschung zum Beispiel. Gehören doch Knochenabbau und Muskelschwund beim üblichen 180-Tage-Aufenthalt im gravitationslosen Raum sozusagen zu den natürlichen Umweltbedingungen.

Neben dem Modell im Bremer Flughafen ist das ein bißchen anders. Aber dafür weht der rote Schal noch immer leicht beunruhigt durch die Ankunftshalle, und irgendwo am anderen Ende der Wiese landet gerade satt und schwer die Maschine aus Brüssel. Die Zeit des Wartens hat ein Ende: Viens à Bremen avec nous.

ritz