Wie Brüste????

■ Vorwarnung: Demnächst alzheimerisiert „Theatre du pain“ den Schlachthofs

Was tun Lippen? Na, beben natürlich! Und wie verbringen normalmenschliche Blicke ihren Arbeitsalltag? Die alten Minnesänger meinten, sie würden tausend Meter tief gehen. Diesen romantischen Überzeugungen schließen sich Hans König, Mattäng Pollkläsener und Stefan Walkau bedingungslos an. Nicht verschwiegen werden kann aber, daß sie außerdem der Meinung sind, manche Zungen seien „bratenheiß“, und manche Blicke führen „wie Eggen in deinen braunen Acker“. Und manchmal bringen sie das wer-was-wie komplett durcheinander und lassen „sträunende Gitarren am Mondlicht zerren“, obwohl doch jeder vernünftige Mensch weiß, daß in Wahrheit sträunende Mondlichter auf verzerrten Gitarren spielen. Aufgrund solcher Verwechslungen waren die drei Bremer schon vor 14 Jahren gezwungen, den Namen „Theatre du pain“ anzunehmen. Geholfen hat das nicht viel. Noch immer „klatschen Satteltaschen wie Brüste“, statt umgekehrt.

Demnächst werden sie wieder mal zur definitiven Heimsuchung des Schlachthofs. „Vivat Amnesia“ heißt ihre Dada-Performance. Doch Tausende von Bremern haben nicht vergessen! Sie wissen, was das heißt: entblößte Oberkörper; Gemüse, das sich zielgerichtet seinen Weg bahnt auf das frischgebügelte Hemd des Zuschauers; und Overacting, hemmungslos und ohne Gnade.

Auf eine gewisse stilistische Abklärung weisen lediglich einige Songtexte hin, die deutlich in der Tradition von Rilkes „Dinggedichten“ stehen. Zum Beispiel das Gedicht „Oh Karotte“, das sich sehr sensibel in die komplexe Psyche dieser rotangelaufenen, verdickten Wurzel einfühlt: „Karotte, scheu sich vergrabende Siegerin.“ Scheu, Sieg, das ist Dialektik. Doch wenn dann dasselbe lyrische Prinzip auf den weiblichen Busen angewandt wird, schreien wir alle bääääh. Eine lückenlose Harmonie zwischen Text und Musik kann den Schmerzvirtuosen aber nicht abgesprochen werden. Mit demselben Reichtum, mit dem sie alle Genres zwischen Lindenblütenballade, Gardinenpsychothriller und Berberkissensurrealismus touchieren, streifen sie auf musikalischer Ebene Bierzeltschunkeln, Hawaigitarre, Hotelbarkeyboardgewimmer und bachschen Chorgesang. bk

Nachzuhören ist das auf der brandneuen CD „Vivat Amnesia“, erschienen bei FUEGO, Tel. 0421-75111. Konzerte: Schlachthof, 16.+17.1., 20h