Die Bremer Kinotaz ... ... alle Filme, alle Termine

A

Amy und die Wildgänse USA 1996, R: Carroll Ballard, D: Anna Paquin, Jeff Daniels

„Wie anhänglich Gänseküken auch einen Menschen als Mutterfigur akzeptieren ist bekannt - allerdings muß die Pflegeperson den Kleinen auch das Fliegen beibringen und ihnen, wenn der Herbst kommt, im Zugvogelschwarm südwärts voranfliegen. Nur gut, daß die 13jährige Gänsemutter Amy im kanadischen Ontario einen Leichtflug-Flugzeugnarren als Vater hat, der ihr ein Gefährt nach Maß baut, und noch besser, daß im Kino auch unwahrscheinliche Abenteuer gelingen. Die Kinder-und Tier-Profis Carrol Ballard (Regie) und Caleb Deschanel (Kamera) haben das alles ganz fabelhaft hingekriegt. (TV-Spielfilm) Filmstudio

Antz USA 1998, R: Eric Darnell, Tim Johnson

„Die titelgebenden emsigen Ameisen in diesem digitalen Animationsfilm werden von Schauspielergrößen wie Woody Allen, Sharon Stone oder Gene Hackman gesprochen. Selbst die eigentlich recht grausigen Kauwerkzeuge der Sechsbeiner wichen den Gesichtszügen und Persönlichkeiten einiger Stars (in der deutschen Fassung sind die Stimmen der jeweiligen Synchronsprecher zu hören). Die Arbeiter-Ameise Z-4195 sehnt sich nach Individualität im durchorganisierten Ameisenstaat und nach der Liebe der Prinzessin Bala. Sein Freund ist der treue Ameisenmuskelprotz Weaver, sein Feind der totalitäre General Mandible. Rasant, spannend, liebeswert und intelligent. Mainstream, der zufrieden macht, ohne zu unterfordern.“ (tip) CinemaxX, engl. Originalfassung: Schauburg u. Ufa-Palast, Solitaire (WST)

Auf immer und ewig USA 1998, R: Andy Tennant, D: Drew Barrymore, Anjelica Huston, Dougray Scott

„Drew Barrymore als impulsives und wehrhaftes Aschenbrödel in prunkvollen Gewändern des 16. Jahrhunderts. Mit humorvollen Wendungen und darstellerischer Spielfreude erwacht nicht nur das Märchen zu neuem Eigenleben, sondern auch manch unmoderne weibliche Sehnsucht. Oder welche Frau des auslaufenden zwanzigsten Jahrhunderts träumt nicht insgeheim von einem stattlichen Prinzen mit Pferd, der Tränen in den Augen hat, weil er das Selbstbewußtsein seiner Cinderella so bewundert?“ (tip) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Wall-Kino (Ol)

B

The Big Lebowski USA 1998, R: Joel Coen, D: Jeff Bridges, John Goodman

Oblomov trifft hier auf Philip Marlowe, und man muß schon die irrrwitzige Fantasie der Coen-Brothers haben, um den größten Faulpelz der Literaturgeschichte mit Raymond Chandlers gebrochen romantischen Privatdetektiv in einer Figur zu vereinen. Jeff Lebowski ist „der trägste Mensch von Los Angeles“: Der ewige Hippie schlürft ständig bekifft und in Boxershorts durch den Film. Ausgerechnet dieser Antiheld wird nun in eine äußerst komplizierte Entführungsgeschichte verwickelt, bei der die Konventionen des Detektivfilms mit schönstem Übermut ad absurdum geführt werden. (hip) Filmstudio

Blade USA 1998, R: Stephen Norrington, D: Wesley Snipes, Kris Kristofferson

„Blade, ein Mensch-Vampir-Hybrid, wurde von Whistler, einem Vampirjäger, darauf abgerichtet, die Kreaturen der Nacht zu töten, deren Aktivitäten immer tollkühner und organisierter werden. Blades Gegenspieler, ein Vampir namens Frost, hofft, die etablierte Vampir-Aristokratie zu stürzen, indem er eine Serie von apokalyptischen Geschehnissen auslöst – die von Vampirpropheten vorhergesagt wurden und die dazu führen sollen, daß die Vampire die Menschheit beherrschen. Man sagt oft, daß die Filme heute wie Comics wirken, aber wie oft stimmt das wirklich? Im Fall von „Blade“ – der auf einem Marvel-Comic basiert – kann ich erfreut berichten, daß all die gespenstischen Farben, phantasmagorischen Bilder, rücksichtlose Action, byzantinischen Intrigen und sublimierten Homoerotismen, die das Comic-Genre auszeichnen, hier in liebevollen Details glänzen. Besonders in diesem Jahr der enttäuschenden Großproduktionen Hollywoods ist „Blade“ knallig erfolgreiche Unterhaltung.“ (Sight and Sound) Engl. OF mit Untertiteln: CinemaxX, Wallkino (Ol)

Bube, Dame, König, Gras Großbritannien 1998, R: Guy Ritchie, D: Jason Flemyng, Dexter Fletcher

„Die Uhr läuft, die Zeit drängt – wird der Held es schaffen, innerhalb der gesetzten Frist die Aufgabe zu bewältigen? Wenn nicht, droht ihm Schlimmes, das wird drastisch klargemacht. Hier geht es allerdings nicht primär um die Dimension der Zeit. Dieser britische Debütfilm stellt sich einer anderen Herausforderung: Indem er ein komplexes Gegeneinander rivalisierender Parteien entfaltet. In dieser sorgfältigen Konstruktion liegt die eigentliche Qualität des Films, der sich zweifellos auch darin am Vorbild Quentin Tarantino orientiert. So ist es durchaus nicht nur ein Werbeversprechen, wenn man „Look, Stock and Two Smoking Barrels“ als die britische Antwort auf Tarantino bezeichnet, als Kombination aus der raffinierten Erzählweise von „Pulp Fiction“ und der Männerweltphantasie von „Reservoir Dogs“. Zumal auch das „Britische“ dabei ein wesentliches Element ist. Sein Manko ist die Erzählweise, die zu sehr von der Verkürzung der Videoclips geprägt ist: Die Personen bleiben Typen, jede einzelne Szene spielt auf ein Maximum an Effekten ab.“ (epd-film) City

C

Central Station Brasilien/Frankreich 1997, R: Walter Salles, D: Fernanda Montenegro, Vinicius de Oliveira

"Mit Gott folge ich meinem Schicksal“ steht auf dem Schild an einem Lastwagen, mit dem die ehemalige Lehrerin Dora und der neunjährige Josué durch Brasilien reisen. Sie sind auf der Suche nach Josués Vater, doch diese Schicksalsgemeinschaft ist keineswegs harmonisch. Dora, die sich ihren Lebensunterhalt mit Briefeschreiben am Hauptbahnhof von Rio verdient, hatte für Josués Mutter einen Brief an ihren Mann verfaßt. Minuten später stirbt diese bei einem Unfall. Josué hat niemanden mehr außer Dora; und die nimmt sich, zunächst nur widerwillig, seiner an. Ein wunderschönes, poetisches Roadmovie mit erfrischendem Witz und zwei Hauptdarstellern, die man nicht sofort, doch dann um so inniger ins Herz schließt.“ (TV-Spielfilm) Europa, Casablanca (Ol)

The Circus USA 1927, R: Charles Chaplin, D: Charly Chaplin, Merna Kennedy / Stummfilm mit live-Begleitung durch das Landesjugendorchester

„Charly, der Tramp, schließt sich einem Wanderzirkus an, wo er sich als Clown, Seiltänzer und unglücklicher Liebhaber betätigt. Chaplins zweites Großprojekt (nach „Goldrausch“) markiert das Ende seiner Stummfilmperiode. Deutlicher als zuvor mischt sich in das virtuos entfesselte Feuerwerk grotesker Gags ein Unterton der Melancholie: Ein Balanceakt zwischen Komik und Tragik mit dem Geschmack der Bitterkeit.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46

D

Dr. Dolittle USA 1998, R: Betty Thomas, D: Eddie Murphy, Oliver Platt

„Wie schon in „The Nutty Professor“ wird Eddie Murphy hier wieder von den Special Effects an die Wand gespielt. Die versammelte Tierwelt bewegt in „Dr. Dolittle“ mindestens genauso synchron die Lippen wie die Viecher in „Ein Schweinchen namens Babe“. Aber ich sehnte mich im Laufe das Films immer mehr nach der Unschuld von „Babe“ oder des original Dolittle-Films von 1967. Hier sind die Gags extrem rüde und basieren fast ausschließlich auf Körperausscheidungen und Fürzen. Ich weiß, daß mein 7jähriger Sohn all das lieben wird, denn der Film ist ausschließlich für ein infantiles Publikum gemacht: Er ist „Junk Cinema“! (Christopher Tookey) CinemaxX

23Deutschland 1998, R: Hans-Christian Schmid, D: August Diehl, Fabian Busch, Dieter Landuris

„Die USA führten auf dem Bikini-Atoll 23 Atomtests durch. Unbekannte erschossen Schwedens Premierminister Olaf Palme um 23.23 Uhr. Zufall? Der Schüler Karl Koch sieht in der Zahl 23 den Schlüssel zu einer Weltverschwörung, wie sie Robert Anton Wilson in seinem Buch „Illuminatus!“ beschreibt. Allein aus dieser Theorie kann sich der 19jährige das Chaos erklären, das ihn 1986 umgibt: Terror, Kalter Krieg, atomare Bedrohung. Ein kleiner Computer hilft bei der Suche nach der Wahrheit. Karl klingt sich in fremde Rechner ein, bekämpft die Müdigkeit mit Drogen und spinnt seine Verschwörungstheorie weiter. Hans-Christian Schmid macht das Wunder wahr: Sein auf Tatsachen beruhender Film ist ein deutscher Thriller, der fesselt, zum Nachdenken anregt und das Zeitgefühl der 80er Jahre widerspiegelt. Zudem bringt er den stärksten Neuzugang des deutschen Kinos auf die Leinwand: den Berliner August Diehl. Er verkörpert den „echten“ Karl Koch, der 1989 auf ungeklärte Weise starb - mit 23 Jahren, am 23 . Mai.“ (TV-Spielfilm) CinemaxX, Gloria (Del)

E

Eine zweite Chance USA 1998, R: Forest Whitacker, D: Sandra Bullock, Harry Connick Jr.

„Das tränenreiche Platzen einer amerikanischen Seifenblase: Texas Beauty Birdee Pruitt (verquolen: Sandra Bullock) liebt den Footballstar ihrer High-School. Es folgen Ehe, Großstadtleben, Tochter, Seitensprünge des Gatten – ausgerechnet mit Birdees bester Freundin. Die beichtet die Affäre zeitgemäß in einer TV-Talkshow. Waidwund flieht die betrogene Birdee zu ihrer Mutter (kauzig: Gena Rowland) in den Heimatort Smithville. Ihr Unglück wirkt hier wie ein Jungbrunnen: ehemalige Schulfreundinnen erfreuen sich Birdees Erniedrigungen und die Großmutter betätigt sich als Kupplerin. Nur der Tischler Justin (drall: Harry Connick Jr.) wirbt unbeirrbar um seine Jugendliebe. Regisseur Forest Whitacker wiederholt in diesem Rührwerk seine flauschige Botschaft aus „Waiting to Exhale“: Eine Frau muß nur kräftig durchatmen, und schon kommt ihr Cowboy angeritten.“ (Der Spiegel) CinemaxX, UT-Kinocenter, Ziegelhofkino (Ol)

Elizabeth Großbritannien 1998, R: Shekhar Kapur, D: Cate Blanchett, Christopher Eccleston, Geoffrey Rush, Fanny Ardant

In England wetzen die Besserwisser schon die Messer, um dem Regisseur Shekhar Kapur all die historischen Fehler seines Films über die „jungfräuliche Königin“ Elisabeth I vorzuhalten. Dabei hatten die Produzenten ihn ja gerade darum engagiert, weil er als Inder nicht den Bildungsballast mit sich herumschleppte, der einen britischen Regisseur niedergedrückt hätte. „Sie wollten einen ignoranten und chaotischen Regisseur“, so Kapur souverän kokett in Venedig. Und der hat ihnen nun ein wundersames Stück Kino hingesetzt: Spannend wie ein Thriller, grandios ausgestattet und mit einer feinen Balance zwischen blutigen Hofintrigen und dem psychologisch tiefen Portrait einer Frau, die dazu gezwungen wird, Macht auszuüben, und dafür ihre Identität und ihr Glück opfern muß. Cate Blanchett verkörpert die Königin wunderbar intensiv und vielschichtig: zugleich dünnhäutig, energiegeladen und später eiskalt. Dies ist alles andere als ein Kostümschinken. (hip) City, Passage (Del), Muwie (Ol)

Erklärt Pereira Italien/Frankreich 1995, R: Roberto Faenza, D: Marcello Mastroianni

„Lissabon unter der Salazar-Diktatur Ende der dreißiger Jahre: Der Kulturredakteur Pereira ist der bürgerlich-unpolitische Intellektuelle schlechthin, doch die Begegnung mit einem jungen Regimefeind läßt ihn zum Widerstandskämpfer werden. Aus dem berühmten Buch von Antonio Tabucchi ist ein allzu literarisch-betulicher Film geworden, den jedoch Marcello Mastroianni in seiner vorletzten Rolle mit wärmender Melancholie erfüllt.“ (Der Spiegel) City, Casablanca (Ol)

Ever After - A Cinderella Story USA 1998, R: Andy Tennant, D: Drew Barrymore, Anjelica Huston, Dougray Scott / Originalfassung ohne Untertitel

Originaltitel und -fassung von „Auf immer und ewig“. Kurzkritik siehe dort UFA-Palast

F

Das Fest Dänemark 1997, R: Thomas Vinterberg, D: Ulrich Thomsen, Thomas Bo Larsen

Thomas Vinterbergs „Das Fest“ steht in einer lange Reihe von Romanen, Theaterstücken und Filmen, bei denen eine Familienfeier im Mittelpunkt steht, auf der schön langsam und dramatisch die schlimme Wahrheit über eine Familie ans Licht kommt. Aber so radikal wie hier wurde ein Clan selten seziert, so aufwühlend traute sich bisher kaum ein Regisseur, den Witz neben die Tragödie zu setzen. Da beschuldigt ein Sohn seinen Vater bei der Glückwunschrede zu dessen 60. Geburtstag, ihn und die Schwester in ihrer Kindheit sexuell mißbraucht, und sie damit in den Selbstmord getrieben zu haben. Alle anderen Gäste versuchen zuerst mit allen Mitteln, die Form zu wahren, doch das Fest entwickelt sich unaufhaltsam zu einem Familieninferno, bei dem der Charme der Bourgeoisie langsam zerbröselt. All das zeigt uns Vinterberg in wackeligen, ausschließlich mit der Handkamera gedrehten Bildern, denn „Festen“ wurde nach dem „Dogma 95“ produziert. Vier dänische Regisseure, darunter auch Lars von Trier, haben einen „Schwur der Keuschheit“ abgelegt, und einander versprochen, Filme nur noch nach einem festen Regelwerk zu inszenieren. Gemäß den zehn Geboten ihres Dogmas darf nur an Originalschauplätzen mit natürlichem Licht und mit Handkamera gedreht werden. Es darf keine speziell eingespielte Musik, keine „oberflächliche Action“ und keine „optischen Spielereien“ geben. Nach Aussagen von Vinterberg inspiriert diese erzwungen Einfachheit ungemein, und zumindest bei „Das Fest“ hat man nie das Gefühl, einen durch ein Dogma verengten Film zu sehen. (hip) Gondel, Casablanca (Ol), Original m. Untertiteln: Cinema

Fette Welt Deutschland 1998, R: Jan Schütte, D: Jürgen Vogel, Julia Filimonov

Die Welt, die dieser Film uns zeigt, ist alles andere als „fett“. Aus der Untersicht der Obdachlosen, der Penner sehen wir auf das heutige München: in Rohbauten, auf öffentlichen Toiletten oder unter den Isarbrücken schläft die Handvoll von Unglücksraben, die die Helden dieses ganz untypischen deutschen Films sind. In den ersten Minuten bekommt man erstmal einen Schreck: Will man wirklich anderthalb Stunden lang miterleben, wie sich dieses verlorene Häuflein Menschen mit ihrem Elend abplagt? Und Jan Schütte macht es uns nicht leicht. Er erspart uns die unappetitlichen Details dieses Lebens nicht, und die Kamera kommt den verfilzten Säufern und durchnäßten Wollsachen so nah, daß einem ihr Gestank fast in die Nase kriecht. Aber langsam erkennt man, wie genau Schütte hier jede einzelne Persönlichkeit zeichnet. Die Dialoge sind (auch wenn man sie manchmal im tiefsten bayrisch gelallt kaum versteht) pointiert und präzise geschrieben, und es gelingt den Schauspielern, daß man bald nicht mehr auf ihre dreckigen Lumpen und Plastiktüten mit Habseligkeiten, sondern auf ihre ganz eigenen Charakterzüge und Schicksale achtet. Große Dramen sind nicht nur unter Königen oder Villenbesitzern möglich, ist Schüttes statement, und so erzählt er in „Fette Welt“ eine Liebesgeschichte, die dadurch, daß sie unter Brücken und in Bahnhofshallen stattfindet, nichts an Intensität und Dramatik verliert. Der Film hat zwar mit Jürgen Vogel einen Star in Höchstform, und nach der Hälfte konzentriert er sich auch immer mehr auf dessen Geschichte, aber am eindrucksvollsten bleiben die Szenen, in denen seine ganze Ersatzfamilie unter ihrer Brücke hockt, schläft, sich streitet, miteinander ißt, säuft, sich versöhnt und nebenbei immer wieder einige schön gesetzte Witze reißt. (hip) Schauburg

From Dusk Till Dawn USA 1995, R: Robert Rodriguez, D: Quentin Tarantino, Georg Clooney, Harvey Keitel

Für seinen Soulbrother Rodriguez holte Tarantino sein allererstes Skript aus der Schublade, überarbeitete es und spielte zu allem Überfluß auch noch eine der Hauptrollen, so daß man unmöglich sagen kann, wer von den beiden für welchen Blutfleck verantwortlich ist. Auch wenn Rodriguez noch so rasant schneidet, verliert man in der zweiten, mexikanisch-vampiristischen Hälfte des Films schnell die Übersicht und das Interesse daran, wer schon untot ist und wer noch ungebissen auf alle anderen eindrischt. (hip) Filmstudio

H

Hamam – Das türkische Bad Italien/Türkei/Spanien 1997, R: Ferzan Ozpetek, D: Alessandro Gasman, Francesca D'Aloja

„Ein römischer Architekt erbt von seiner Tante einen Hamam, ein türkisches Bad, und fährt, um ihn zu verkaufen, nach Istanbul. Angezogen von Stimmung und Menschen, bleibt er und restauriert den Haman. Seine Frau reist ihm nach und findet ihren Mann verändert vor. Das Erstlingswerk eines italienisch-türkischen Regisseurs weist zwar formale Mängel auf und endet klischeehaft tragisch. Doch erzählt es atmosphärisch dicht von einer Selbstfindung dank Sinnlichkeit und kreativer Langsamkeit orientalischer Lebensweise.“ (Zoom) Cinema

Der Himmel über Berlin Deutschland/Frankreich 1986, R: Wim Wenders, D: Bruno Ganz, Otto Sanders, Solveign Dommartin

„Einer der Engel, die, unsichtbar für die Augen der Erwachsenen, die Menschen Berlins trösten und Anteil an ihrem Weg nehmen, verspürt das Verlangen, die Welt als Mensch zu erfahren, als er sich in eine Trapezkünstlerin verliebt. Er verläßt die Sphäre der Engel und wird sterblich, lernt aber dafür Welt und Menschen in neuen Farben, mit neuerworbener Sinnlichkeit kennen und lieben. Eine poesievolle Liebeserklärung an das Leben, an die Sinnlichkeit und Begrenztheit des irdischen Daseins. In teilweise berauschenden Bildern eingefangen, gerät der Film zwar in die Gefahr, seine Naivität zu sehr zu strapazieren; auf weiteren Ebenen ist er aber eine fantasievolle Hommage an die geteilte Stadt Berlin und eine Reflexion über die Sichtweise des Filmemachens.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46

I

Im Damenstift Deutschland 1983, R: Eberhard Fechner

„Im Damenstift zeigt mit lebendigen heutigen Menschen eine gestrige Welt. Bei den Aufnahmen im Sommer 1983 sind sie zwischen 76 und 88 Jahre alt: die Frauen von Randow und von Zastrow, die Freifrauen von Korb-Weidenheim, von Korff, de Pont, diverse Gräfinen sowie als Leiterin die Äbtissin von Papen. Die Damen wohnen zusammen unweit von Köln in dem Wasserschloß Ehreshoven inmitten eines Parks und der zum Schloß gehörigen Ländereien. Eine 1920 eingerichtete Stiftung ermöglicht es „unbemittelten, unverheirateten adeligen Damen katholischen Glaubens“ hier einen “ruhigen und standesgemäßen Lebensabend“ zu verbringen. Abseits gelegen hat die ehrwürdige Umgebung etwas von einem komfortablen Gefängnis. Fechner demonstriert mit „Im Damenstift“ noch einmal, wie er mit seiner Methode (die einzelnen Interviews zu zerlegen und in einer Montage nach inhaltlichen Gesichtspunkten anders zusammenzusetzen) etwas leisten kann, was eigentlich nicht mehr zu leisten ist, nämlich längst Vergangenes auf eine ganz persönliche Weise noch einmal heraufzuholen.“ (Chronik des 20. Jahrhunderts: Eberhard Fechner) Kino 46

J

Jackie Brown USA 1998, R: Quentin Tarantino, D: Pam Gier, Samuel L. Jackson, Robert De Niro

„Was machen Kult-Filmer nach ihrem Mega-Hit? Sie backen bewußt erstmal kleinere Bröttchen. Auch Trendmeister Tarantino entgeht der Versuchung, „Pulp Fiction“ krampfhaft zu überbieten. Statt dessen kocht er auf Sparflamme. Ein kleiner Krimi von Elmore Leonard (“Schnappt Shorty“), in dem eine pfiffige schwarze Stewardeß fürs FBI einen Waffenhändler überführen soll. Die spielfreudigen Akteure und der schmalzige 70er-Jahre-Soundtrack machen Quentins Krimi-Tango zum unterhaltsamen Kinovergnügen – ganz ohne Kult-Getue.“ (Bremer) Filmstudio

L

L.A. Confidential USA 1997, R: Curtis Hanson, D. Guy Pears, Russell Crowe, Kevin Spacey, Kim Basinger / Originalfassung ohne Untertitel

„Wahrscheinlich kommen einem angesichts von „L.A.Confidential“ so viele andere, älter Filme wie „Chinatown“ und die besseren Chandler- und Hammett-Adaptionen in den Sinn, weil diese James Ellroy-Verfilmung all jene Qualitäten aufweist, die sich die heutigen amerikanischen Studioproduktionen mit ihren schlichten Formeln und simplen Konzepten nicht mehr leisten zu können glauben: sie wagt eine ungeheure Komplexität, läßt Raum für Widersprüche und Irritationen und nimmt sich viel Zeit für die Schilderung von durchweg ambivalenten Figuren. Wenn nicht alles so modern und zeitgemäß anzusehen wäre, könnte man sagen: ein wunderbar altmodischer Film.“ (epd-film) Kino 46

Das Leben ist schön Italien 1998, R: Roberto Benigni, D: Roberto Benigni, Nicoletta Braschi

„In seinem vieldiskutierten (und -prämierten) Film spielt Benigni einen lebenslustigen jüdischen Buchhändler, der nach einigen Jahren glücklichen Familienlebens mit seinem vierjährigen Sohn in ein deutsches Vernichtungslager gebracht wird, in das ihm seine junge Frau aus freien Stücken nachfolgt. Der Vater, der sein Kind im Lager verstecken kann, redet diesem ein, das Ganze sei nur ein großangelegtes Spiel, bei dem der Gewinner mit einem richtigen Panzer belohnt werde. Benignis melancholische Clownerien und das vorzügliche Spiel aller Beteiligten machen dieses ebenso bewegende wie burleske Lagermärchen zu einer hintergründigen Tragikomödie.“ (Neue Zürcher Zeitung) Atlantis, Gondel, Casablanca (Ol)

Les Misérables USA 1998, R: Bille August, D: Liam Neeson, Geoffey Rush, Uma Thurman

„Les Misérables von Victor Hugo gehört zu jenen volkstümlichen Wälzern aus der guten alten Zeit, die immer mal wieder für eine Neuverfilmung gut sind, weil sie in Wahrheit längst niemand mehr liest. Diesmal, auf bekömmliche zwei Kinostunden gerafft, hat der Däne Bille August das große Rührstück von Schuld, Reue, Rache und Gerechtigkeit an tschechischen Drehorten in Szene gesetzt. Der Australier Geoffrey Rush und der Ire Liam Neeson spielen Jäger und Gejagten, die Amerikanerinnen Uma Thurman ud Claire Danes repräsentieren die leidensfähige Weiblichkeit, und so ist aus dem Ganzem ein Pudding geworden, wie er im Buche steht.“ (Der Spiegel) UT-Kinocenter

Liebe deine Nächste Deutschland 1998, R: Detlev Buck, D: Lea Mornar, Moritz Bleibtreu, Heike Makatsch

„Buck is back. Der komische Coole aus dem Norden widmet sich nach den Knackis aus der „Männerpension“ nun der Heilsarmee. Genauer: Zwei Soldatinnen, die in die Großstadt versetzt werden, um dort unter den Obdachlosen gute Taten zu verrichten. Wer jedoch lakonischen Humor à la „Karniggels“ oder ein verschrobenes Figurenkabinett wie in „Wir können auch anders“ erwartet, der wird gnadenlos enttäuscht. Die Helden im jüngsten Buck sind allesamt Karikaturen aus der Klischeekiste: der miese Macho, die verschreckten Ossis, die willfährigen Frauen, die guten Penner, die bösen Yuppies. Mit derart holzschnittartigen Akteuren kann sich keine prickelnde Psychologie entwickeln. Alles bleibt platt, banal und langweilig. Das hat der Meister wohl auch selbst bemerkt, und so versucht er mit aufdringlichen Werbebildchen dem Zuschauer Goldstaub in die Augen zu streuen. Doch der videoclippige „Flashdance“-Stil verträgt sich nicht mit der altbackenen Oliver-Twist-Geschichte und verkommt zum manierierten MTV-Firlefanz der nervigen Art.“ (Bremer) Schauburg, CinemaxX, Apollo (Whv)

Lola rennt Deutschland 1998, R: Tom Tykwer, D: Franka Polente, Moritz Bleibtreu, Joachim Krol

„Tom Tykwer ist zur Zeit einer der innovativsten und mutigsten deutschen Filmemacher. Ähnlich wie z.B. Oliver Stone nutzt er alle Möglichkeiten des Mediums, mischt Zeichentrick und Handkamera, wilde Schnitte und sogar Polaroids zu einem atemberaubenden Genremix. Die Besetzung ist ein einziger Glücksgriff, die Musik ein Hit.“ (TV-Spielfilm) Filmstudio, Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen)

M

Max und Moritz Deutschland 1960, R: John Halas

„Zeichentrickfilm nach den Comic Strips von Wilhelm Busch, mit den beiden bösen Buben im Mittelpunkt. Recht hausbackene Kinounterhaltung aus den 60er mit den guten komischen Onkeln Heinz Rühmann und Theo Lingen als Erzählern.“ (taz) UFA-Palast

Mulan USA 1998, R: Barry Cook, Tony Bancroft

„Mulan ist der seit langem gelungenste Zeichentrickfilm von Disney: schwungvoll, witzig und streckenweise hochdramatisch, auch tragisch, aber nicht sentimental. Die Figuren sind weniger niedlich, mehr menschlich gezeichnet, und so wirken ihre Schicksale wirklich anrührend. Die Orientierung nach Osten hat das Produktionsteam sichtlich beflügelt. Die Chefzeichner mixten ihre moderne Comicstrip-Kunst mit klassischer chinesischer Malerei, was man besonders besonders an den Landschaftsentwürfen sehen kann, und bei den großen Schlachtszenen werden gar Erinnerungen an die Epen des jüngst verstorbenen Akira Kurosawa wach. Die Figuren und Kostüme sind asiatischen Vorbildern nachempfunden, Mulans Gesicht etwa entspricht mit zierlichen Zügen und Kirschmund dem chinesischen Schönheitsideal. Sie ist Disneys erste Heldin, die nicht aussieht wie Barbie.“ (Cinema) CinemaxX, Ufa-Palast, UT-Kino, Wall-Kino (Ol), Solitaire (Westerstede), Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen)

My Name is Joe Großbritannien 1998, R: Ken Loach, D: Peter Mullan, Louise Goodall

Das Beste an dieser Fußballmannschaft sind noch die Namen auf den Trikots: Müller, Overath, Netzer – die einst so glorreiche deutsche Nationalmannschaft kann in der schottischen Bezirksliga kein Spiel gewinnen. Kein Wunder, denn statt in den deutschen 70ern spielt „My Name is Joe“ in den schottischen 90ern, und der Franz Beckenbauer dieses Films ist ein glatzköpfiger Dicker, der unbeholfen über das Spielfeld kullert. Einige Arbeitslose aus dem ärmsten Stadtteil von Glasgow spielen hier in der schlechtesten Fußballmannschaft Schottlands, und man muß schon ein feiner Kerl sein, wenn man solche eine Mannschaft trainiert. Wenn Joe Kavanagh in den ersten Minuten des Films nichts anderes macht, als sich mit seinen Jungs herumzuärgern, dann hat Ken Loach ihn uns so schnell und nachdrücklich ans Herz gelegt, daß wir ihm für den Rest des Films feste die Daumen drücken. Seine ewig verlierende Mannschaft zählt nämlich noch zu seinen geringsten Problemen. Joe ist Alkoholiker, seit mehreren Jahren trocken, aber immer droht der Rückfall – er lebt von der Sozialhilfe, und wenn er mal schwarz eine Wohnung tapeziert, erwischt ihn prompt ein spionierender Beamter. Außerdem sind seine junger Kumpel Liam und dessen Freundin tief in der Drogenszene versumpft, und zu allem Überfluß verliebt sich Joe auch noch in die Sozialarbeiterin Sarah. Diese Liebesgeschichte rückt schnell in den Mittelpunkt des Films. Zum Glück, kann man nur sagen, denn dem großen britischen Regisseur des sozialrealistischen Kinos gingen in seinen letzten beiden Filmen „Land and Freedom“ und „Carla's Song“ zu sehr die sozialromantischen Pferde durch. Mit einer Mischung aus Sozialportrait und gefühlvoller Erzählung hat er aber jetzt zum Stil seiner besten Filme wie „Riff-Raff“ oder „Raining Stones“ zurückgefunden. (hip) City

O

Out of Sight USA 1989, D: Steven Sonderbergh, D: George Clooney, Jennifer Lopez

„Sonderberghs Film ist weniger selbstgefällig erzählt als „Pulp Fiction“ und flüssiger inszeniert als „Jackie Brown“. Die kamera- und schnittechnischen Extravaganzen dienen stets der jeweilige Szene und nicht der Eitelkeit des Regisseurs. Einen feiner geschliffenen Genre-Film, der eigentlich ein Genre-Mix aus romantischer Screwball-Comedy und Thriller ist, wird man so bald wohl nicht mehr zu sehen bekommen.“ (epd-film) Filmstudio, Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen)

P

Pauls Reise Deutschland 1998, R: René Heisig, D: Peter Lohmeyer, Niccolo Casagrande

„Ein Brummi rollt nach Madrid. Am Steuer sitzt Michael, frischgebackener Transport-Unternehmer, der mit dieser Kühlschrank-Lieferung seine Schulden begleichen will. Da niest es hinter ihm, und sein Sohn Paul kriecht aus dem Versteck. Der hat seine Leukämie überstanden, doch die Ehe der Eltern ist darüber zerbrochen. Und noch immer hat Michael sein Versprechen nicht eingelöst: mit Paul ans Meer zu fahren. Madrid liegt nicht am Meer. Aber wenigstens weit im Süden. Auf dem Weg dorthin hofft Paul seinen Vater zurückzuerobern. Was Michael nicht weiß: die Leukämie hat sich wieder bemerkbar gemacht, und Paul bereitet sich aufs Sterben vor. Klassisches Roadmovie? Kinderfilm? Regisseur René Heisig ist ein beachtliches Spielfilm-Debüt gelungen. Freilich stand ihm mit Peter Lohmeyer auch ein idealer Schauspieler zur Seite, der sentimentale Schnörkel nicht zuläßt. Höchstens ein bißchen Brummi-Romantik auf dem Parkplatz. Ansonsten verschanzt er sich hinter einer verkniffenen Miene.“ (epd-film) CinemaxX

Der Pferdeflüsterer USA 1998, R: Robert Redford, D: Robert Redford, Kristin Scott Thomas

Die Romanvorlage von Nicolas Evans ist bereits ein Bestseller, und einige enthusiasmierte Leserinnen aus meinem Bekanntenkreis warten schon seit Monaten sehnsüchtig auf den Film. Für solch ein Publikum kann der Film gar nicht lang genug sein, aber seltsamerweise stört man sich auch als unvorbelasteter Zuschauer nicht an seinen 159 Minuten. Redford hat ein genaues Gefühl dafür, wie er den Kitsch, der hier natürlich bei jedem Pferdeschnauben droht, im Zaume halten kann. Dies ist ein Taschentuchfilm – keine Frage –, aber der Herzschmerz wird so geschickt, klug und geschmackvoll präsentiert, daß man/frau sich der feuchten Augen nicht zu schämen braucht.“ (hip) UT-Kino, Solitaire Kino (Westerstede)

Ponette Frankreich 1996, R: Jacques Doillon, D: Victoire Twivisol, Marie Trintignant

„Die fünfjährige Ponette stellt die Abwesenheit in Abrede – den Tod der Mutter. Die Beharrlichkeit, mit der sich die Kleine weigert, die unwiderrufliche Leere zu akzeptieren, hat geradezu existentielle Größe. Ponette kämpft: Gegen die albernen Jesusgeschichten der Tante, gegen das Unverständnis des Vaters und gegen die eigene Trauer. Dabei stellt sich die Kindlichkeit der Fünfjährigen vor das Pathos der sogenannten letzten Dinge, während der Ernst der Dialoge den Film vor pittoreskem Kinderkitsch bewahrt. Man kann sich Doillons Heldin einfach nicht entziehen, ihrem nachdenklichem Trotz, ihrem skeptischem Blick, ihrer Entschloßenheit, es allen zu zeigen, inklusive Jesus, „diesem Blödmann“. (tip) Cinema

Der Prinz von Ägypten USA 1998, R: Brenda Chapman, Simon Wells

„Der kleine Moses landet im (computeranimierten) Weidekörbchen bei der Frau des Pharao, die ihn zusammen mit ihrem eigenen Sohn Ramses aufzieht. Entsetzt über die Massaker an den Hebräern, verläßt der erwachsene Moses Ägypten. Ramses wird Pharao, Moses kehrt zurück und fordert: „Let my people go!“ Der Film ist eindeutig nicht für Kinder gedacht; das soll auch so sein, heißt es bei dem Produktionsstudio Dreamworks. Doch wer seriöse Religionsauseinandersetzung sucht, geht kaum in einen Trickfilm, so ernsthaft der auch gemeint ist. Eindrucksvoll ist „The Prince of Egypt“, wenn er ausspielt, was Trickfilm ausmacht: Dinge erschaffen, die Realfilmern (außer James Cameron) nicht möglich sind: der Bau der Pyramiden, der Auszug der Hebräer, die Teilung des Roten Meeres. Doppelt schade, daß die Geschichte streckenweise hart am Soap-Niveau entlangschrammt.“ (TV-Spielfilm) CinemaxX, UT-Kinocenter, UFA-Palast, Wall-Kinos (Ol), Muwi (Ol), Passage (Del)

Psycho USA 1998, R: Gus Van Sant, D: Vince Vaughn, Anne Heche, Julianne Moore

„Gus Van Sants vieldiskutierte Intention, nicht nur ein Remake von „Psycho“ zu machen, sondern den Film peinlich genau in jedem Detail zu kopieren, war ein gewagtes Gambit, das ein Flair von Pop-Art-Intellekt und Experiment in eine Produktion brachte, die sonst nur überflüssig und kommerziell gewirkt hätte. Und in gewisser Weise wird dieses Wagnis dem Film einen verdienten Platz in den Filmgeschichtsbüchern sichern: Es ist nicht nur die erste derartige Verdopplung außerhalb der experimentellen Filmkunst, es belegt auch die faszinierende Bemühung eines wichtigen Regisseurs, in die stilistische Haut eines anderen zu kriechen – was, wenn man mal darüber nachdenkt, ja Sir Alf auf eine unheimliche Weise angemessen ist. Der Grund, warum dieses Konzept nicht aufgeht, liegt darin, daß das Original auf erzählerischen Überraschungen basiert, die unmöglich heute noch überraschen können; auf Genre-Konventionen, die schon vor Jahrzehnten aus der Mode kamen, und auf Matertial, das 1960 als gewagt galt, aber seitdem längst seine Macht verloren hat, auch nur eine Stirn zu runzeln.“ (Variety) CinemaxX, UFA-Palast, UT-Kinocenter, Passage (Del), Wall-Kino (Ol)

R

Rendezvous mit Joe Black USA 1998, R: Martin Best, D: Brad Pitt, Anthony Hopkins, Claire Forlani

„Ich hatte gemeine Gerüchte gehört, daß „Meet Joe Black“ fast drei Stunden lang sein würde. Die Gerüchte bewahrheiteten sich, aber seien wir gerecht: was zählt ist nicht, wie lang ein Film ist, sondern wie lang er einem vorkommt, und „Meet Joe Black“ wirkt überhaupt nicht wie ein drei Stunden-Film. Er scheint zehn Stunden zu dauern. Anthony Hopkins spielt einen Medienmagnaten mit Herz und Claire Forlani spielt seine Tochter, die mit einem Trottel in gutem Anzug verlobt ist. Sie hofft auf einen besseren Mann, und schon kommt er des Weges in der Form von Brad Bitt. Er hat das Pech, bald danach zu versterben; der Tod übernimmt dann Brads Körper und kommt, um des Magnaten Seele zu kassieren und die Tochter gleich noch mal zu gewinnen. Es gibt hier viele unbeantwortete Fragen (warum scheint etwa Pitts grimmiger Schnitter geistig zurückgeblieben zu sein?), von den Anfällen unfreiwilliger Komik ganz zu schweigen. Wie auch immer: zum Ende hin versinken alle heillos in Gefühlsduselei.“ (New Yorker) CinemaxX, Schauburg, UFA-Palast, Ziegelhofkino (Ol)

Ronin USA 1998, R: John Frankenheimer, D: Robert De Niro, Jean Reno, Natascha McElhone, Katharina Witt

„Unter dem Befehl einer geheimnistuerischen Terroristentussi soll ein international zusammengewürfelter Gangsterhaufen einen silbernen Koffer rauben. Worum es geht und was denn eigentlich im Köfferchen ist, weiß keiner, und man will es auch gar nicht wissen. Veteran John Frankenheimer inszeniert so, als habe er vor vielen, vielen Jahren ein paar Filme des Genres gesehen, aber leider völlig vergessen, wie sie funktionieren. Die Männerfreundschaft zwischen De Niro und Jean Reno bleibt genauso vage wie das Agenten-Spektakel drumherum.“ (tip) Filmstudio

S

Sie liebt ihn – Sie liebt ihn nicht USA/Großbritannien 1998, R: Petrer Howitt, D: Gwyneth Paltrow, John Hannah

„Was wäre, wenn die Londoner PR-Agentin Helen ihre U-Bahn noch kriegen würde statt sie zu verpassen? Nach zehn Minuten läuft der Film ein paar Herzschläge zurück, und diesmal schafft es Helen, die sich schließende Tür des Wagens offenzuhalten. Von nun an vermischen sich die beiden Geschichten: Im Strang eins nimmt Helen ein Taxi, wird überfallen, kommt deshalb später nach Hause und findet dort ihren Freund Gerry etwas zerzaust. Im zweiten Strang kriegt Helen die Bahn, begegnet dem Schicksal in Form des netten Charmeurs James, kommt heim, findet Garry im Bett mit seiner alten Flamme Lydia und zieht aus der Wohnung aus. Verwirrt? Nicht für lange, denn wenn die beiden Stränge sich überkreuzen, kommt ein dramaturgischer Trick zum Einsatz, der alles einfacher macht. Howitt beweist beim Verweben der beiden Geschichten viel Talent als Regisseur, aber in ersten Linie ist dies ein Schauspielerfilm.“ (The Observer) Filmstudio

Smoke Signals USA 1998, R: Chris Eyre, D: Evan Adams, Irene Bedard

„Victor und Thomas machen sich auf den Weg vom nördlichen Washington ins südliche Arizona. Dort wollen sie die Asche von Victors verstorbenem Vater holen und ins heimatliche Reservat überführen. Der erst 26jährige Arapaho-Cheyenne-Indianer Chris Eyre erzählt in seinem Roadmovie den bekannten Vater-Sohn-Konflikt auf indianische Weise. Weit entfernt davon, die Lage der Indianer mitleidig zu beweinen, zeigt „Smoke Signals“ das breite Spektrum heutigen indianischen Lebens: die Bedeutung von Heimat und Tradition, aber auch Armut und Zerfall von Familie und Stamm.“ (tip) Cinema

Staatsfeind Nr. 1 USA 1998, R: Tony Scott, D: Will Smith, Gene Hackman, Jon Voight

„Spannender Überwachungs-Paranoia-Thriller. Was du auch machst, sie sehen dich. Die Umkehrung der „Truman Show“. Da beobachten alle einen. Hier beobachten einige wenige alle. Egal, wohin du gehst, sie sind dabei. Per Satellit. Tony Scott montiert effektvoll verschiedene Aufnahmematerialien zusammen – Filmszenen, Überwachungsvideobänder, Fotos, Satellitenbilder – und stellt die Handlung abwechselnd aus der Sicht des Gejagten und der Jäger dar. Der Gejagte (Will Smith) ist ein sympathischer, selbstbewußter Yuppie, und seine Verfolger (Gene Hackman, Jon Voight) sind keine bösartigen Verbrechertypen, sondern intelligente Technokraten ohne große Skrupel, denen ihr Job sichtlich Spaß macht.“ (tip) CinemaxX, Ufa-Palast, UT-Kino, Wall-Kino (Ol), Solitaire (Westerstede)

Star Trek – Der Aufstand USA 1998, R: Jonathan Frakes, D: Patrick Stewart, Jonathan Frakes, Brent Spiner

„Die nächste „Enterprise“-Generation deckt auf dem Planeten der ewigen Jugend eine Verschwörung von bösen Aliens und fehlgeleiteten Sternenflottenoffizieren auf und kann in der Entscheidungsschlacht die gute alte Föderationsordnung wiederherstellen. Regisseur Jonathan Frakes alias Commander Riker erweist sich als ambitionsloser Routinier, der viel Budenzauber entfaltet, ohne die Längen der Story überspielen zu können. Fürs allgemeine Publikum zu unspektakulär und für die Fangemeinde zu uninspiriert, bestätigt das 70-Millionen-Spektakel das alte Trekker-Vorurteil, daß auf „Enterprise“-Filmen mit ungerader Ziffer der Fluch des Scheiterns lastet.“ (tip) CinemaxX, Ufa-Palast, UT-Kinocenter, City (OF), Lindenhof-Lichtspiele (Wildeshausen), Solitaire-Kino (WST), Wall-Kino (Ol), Lichtspielhaus (Del)

Studio 54 USA 1998, R: Mark Christopher, D: Ryan Philippe, Salma Hayek, Neve Campbell

„Sex, Drugs & Disco – nicht nur Samstag nachts ging es einst im New Yorker Studio 54 zur Sache. In den Siebziger Jahren tobte im legendärsten aller Tanzschuppen der Bär – und die Prominenz jener Tage. Schillernde Szene-Typen wie Truman Capote, Bianca Jagger und Warhol gaben sich die Klinke in die Hand – bis die Steuerfahndung dem dekadenten Disco-Tempel auf die Pelle rückte. Ein Stoff, wie für die Leinwand gemacht. Und einer, den sich Mark Christopher für sein Regiedebüt ausgesucht hat. Aus der Perspektive eines naiven Jünglings rollt er die wilden Auswüchse jener Tage auf. In den Beziehungen der Figuren kommt jedoch trotz der toll auftrumpfenden Besetzung kaum etwas ins Rollen – was wahrscheinlich daran liegt, daß die Produzenten an diesem Film herumpfuschten. “ (Bremer) Europa

Die Stunde des Lichts Deutschland 1998, R: Stijn Coninx, D: Joachim Król, Francesca Vanthielen

„Eigentlich steht Joachim Król, diesem Meister der Schüchternheit, die Rolle eines verschrobenen norwegischen Trappers gut zu Gesicht. Leider hat Regisseur Stijn Coninx ihn zum Markenzeichen seiner selbst degradiert. Król spielt einen kauzigen Einsiedler, der von einer munteren, geschwätzigen Großstadtgöre heimgesucht wird und sich prompt verliebt. Ein Eisbär sorgt für zusätzliche Action, und der Soundtrack verkitscht das Naturschauspiel des Polarwinters zur Disney-Kulisse.“ (tip) Schauburg, Ziegelhof-Kino (Ol)

T

There's Something About Mary USA 1998, R: Peter & Bob Farrelly, D: Cameron Diaz, Ben Stiller, Matt Dillon / Originalfassung ohne Untertitel

Originalfassung von „Verrückt nach Mary“. Kurzkritik siehe dort. UFA-Palast

Die Truman Show USA 1998, R: Peter Weir, D: Jim Carrey, Jaura Linney, Ed Harris

Hatten Sie nicht auch schon manchmal das Gefühl, Sie wären in einem schlechten Film oder – noch schlimmer – in einer Fernsehserie? Genau dieser Verdacht beschleicht Truman Burbank eines Morgens, als direkt vor seine Füße ein Scheinwerfer aus dem strahlend blauen Himmelszelt fällt. Aber Trumans Himmel ist genaugenommen eine Kuppel: Ein riesiger künstlicher Dom, unter dem eine ganze Kleinstadt konstruiert wurde. Und all das nur für Truman Burbank, denn dieser ist, ohne es zu wissen, seit seiner Geburt der Star einer täglich rund um die Uhr gesendeten Fernsehserie. Alle Bewohner von Seahaven, all seine Freunde, Arbeitskollegen, seine Ehefrau sind Schauspieler. Nur er glaubt, ein authentisches Leben zu führen, und ahnt lange nichts von den 5.000 versteckten Minikameras, die ihn in jedem Winkel seiner kleinen Welt beobachten. Der Film erzählt davon, wie er langsam erkennt, daß er der einzige Untertan eines totalitären Systems ist, daß ein „1984“ nur für ihn geschaffen wurde. (hip)CinemaxX, Wall-Kino (Ol), Apollo (Wilhelmshaven)

V

Verrückt nach Mary USA 1998, R: Peter & Bob Farrelly, D: Cameron Diaz, Ben Stiller, Matt Dillon

„Geschmacklosigkeiten unter der Gürtellinie – und doch ist irgendwas dran an dieser Komödie: In Reißverschlüsse eingeklemmte Geschlechtsteile, Sperma als Haargel, in Ganzkörpergips verpackte Schoßhunde – ziemlich krank, oft daneben und zum Schreien komisch. Und wer wäre nicht verrückt nach „Mary“ alias Cameron Diaz.“ (TV-Spielfilm) CinemaxX, UFA-Palast

Z

Zauberhafte Schwestern USA 1998, R: Griffin Dunne, D: Sandra Bullock, Nicole Kidman, Dianne Wiest

„Es fängt schon krude an: Mit magischer Kraft bringt eine junge Frau, die als Hexe verurteilt ist, den Strick ihres Galgens zum Reißen. Fortan muß sie auf einer einsamen Insel leben und – damit die Geschichte nicht schon nach dem Vorspann zu Ende ist – ein Baby austragen. Die Gebeutelte erlegt sich selbst einen Fluch auf, mit dem ihre Nachfahren noch mehrere hundert Jahre später zu kämpfen haben: nie wieder Männer! Die heutigen Hexen sind zwei krakeelende Girlies (Sanda Bullock und Nicole Kidman), denen es gar nicht in den Kram paßt, daß jeder Mann, in den sie sich verlieben, eines frühen Todes sterben muß. Das alles ist recht schwachsinnig konstruiert und wahrscheinlich in der Absicht entstanden, Esoterik und Sex und Kitsch und Grusel publikumswirksam zu vermischen. Doch Hollywoods Hexeneinmaleins funktioniert hier nicht: Dieser Film ist fauler Zauber.“ (Der Spiegel) UT-Kinocenter