Ärger um „rassereinen“ Friedhof

■ Dorfpastor kämpft gegen „antisemitische Huldigung“ auf Gottesacker / Gemeinde richtet Arbeitskreis gegen Anhänger der „antisemitischen und rassistischen“ Ludendorff-Lehre ein

Hude. Ein kleiner Friedhof hält zur Zeit die gesamte 14.400-Seelen-Gemeinde Hude im Kreis Oldenburg in Atem. Der Sterbeacker wird betrieben von dem Verein „Ahnenstätte Hilligenloh“. Dessen Mitglieder sind Anhänger der „antisemitischen und rassistischen“ Ludendorff-Lehre, beschwert sich Dorfpastor Reiner Backenköhler.

Vor allem zwei Gedenksteine ärgern ihn. Auf dem einen wird General Erich Ludendorff als „Freiheitskämpfer“ bezeichnet. Auf dem anderen wird Mathilde Ludendorff als „Wegbereiter der Gotterkenntnis“ gefeiert. Pastor Backenköhler bezeichnet dies als „öffentliche Huldigung von Antisemiten“. Er verlangt jetzt vom Rat der Gemeinde schleunigst die Entfernung der Findlinge.

Tatsache ist, daß der Erste-Weltkrieg-General Erich Ludendorff 1923 vergeblich mit Adolf Hitler in München geputscht hat. Mathilde Ludendorff diente sich dann während der NS-Zeit ohne großen Erfolg der NSDAP als weibliche Führerin an. Doch bereits 1921 hatte sie ihre Bibel für den von ihr 1937 gegründeten „Bund der Gotterkenntnis“ (BfG) geschrieben.

In dem Standardwerk „Triumph des Unsterblichkeitswillens“ reimte sie ihre für alle BfGlerInnen verbindliche Gotterkenntnis: Die „deutsche Volksseele“ ist mit dem Erbgut der „arischen Lichtrasse“ angefüllt und bildet den Mittelpunkt jeder Gotterkenntnis. Durch „Ausländerei und Überfremdung“ sehen die Ludendorffer ihre „artgemäß rassereine Gotterkenntnis“ in Deutschland gefährdet. Aufgrund dieser und weiterer Thesen, darunter auch die Auschwitzleugnung, wurde der BfG mehrfach vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet. Von 1961 bis 1977 war er sogar von der Innenministerkonferenz der Länder als verfassungsfeindlich verboten.

In Hude hat dem bisher kein Hahn nachgekräht. Wurde der Friedhof doch 1931 von zwei Einwohnern gegründet, die der Kirche nicht angehörten und einfach würdig begraben werden wollten. Darum sind dort sogar Lokalgrößen wie der langjährige Huder Bürgermeister Bultmeyer von der FDP begraben. Der war allerdings Ludendorffer, berichtet sein Enkel Fritz Bultmeyer. Dennoch sieht er keinen Grund für die Aufregung im Dorf: „Der Friedhof ist einfach eine Alternative für die, die nicht auf dem Kirchenfriedhof beerdigt werden wollen.“ Er selbst kümmert sich nicht um Ideologien. „Auf dem Kirchhof liegen auch Nazis begraben“, behauptet er.

Der Verein wollte gestern keine Stellungnahme abgeben. Der Vorsitzende Otto Kollmorgen beantwortet Anfragen nur schriftlich. Andere Vereinsmitglieder wollten ebenfalls keine Kommentare abgeben. Ihre Anzahl schätzt Pastor Backenköhler auf etwa 100. Dennoch würde ihre „antisemitische Ideologie“ kaum einer wahrnehmen. Ebensowenig wie Hakenkreuze und SS-Runen auf Grabsteinen, so der Pastor, die Vereinsmitglieder jedoch als Sonnenzeichen ausweisen. Als absolutes „Unding“ bezeichnet Backenköhler zudem die Tatsache, daß in einem Stadtplan das Areal fälschlich als Judenfriedhof ausgegeben wird. Darüber will er aufklären. Und fordert Reaktionen seitens der Gemeinde.

Die hat das Thema jetzt erstmal auf die Tagesordnung des Kulturausschusses am 26. Januar gesetzt. Dann sollen Vereinsmitglieder gehört werden, berichtet der Ausschußvorsitzende Thorsten Thümler. Anschließend soll ein Arbeitskreis eingerichtet werden.

Jens Tittmann