„Du Schlampe, was mischst du dich ein“

Nach den jüngsten Ausschreitungen in Kreuzberg prüft die Polizei, ob Beamte türkischer Herkunft bei Gruppenkonflikten noch eingesetzt werden sollen. Viele türkische Jugendliche hatten das als eine Provokation begriffen  ■ Von Plutonia Plarre

Sind Polizisten türkischer Herkunft für die eigenen Landsleute ein rotes Tuch? Seit den Ereignissen am 27. Dezember 1998 in der Dresdener Straße wird darüber nicht nur in Polizeikreisen heftig diskutiert. Bei dem Einsatz in Kreuzberg war eine Polizistin türkischer Herkunft von jungen Türken als „Verräterin“ beschimpft und zusammengeschlagen worden.

Nach dem Vorfall hatte der stellvertretende Leiter der Polizeidirektion 5 (Neukölln und Kreuzberg) ein erschreckendes Fazit gezogen: „Aus an sich alltäglichen Tatabläufen kann in bestimmten Wohnquartieren unserer Direktion das Einsatzgeschehen derart eskalieren“, heißt es im Einsatzprotokoll, „daß es fast die Dimension einer ethnischen Auseinandersetzung annimmt, wobei der Einsatz türkischstämmiger Polizeibeamter offensichtlich in zunehmendem Maße eine eskalierende Wirkung hat“.

Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert bestätigte gestern, daß bei polizeilichen Führungsrunden schon mehrfach von Vorfällen – auch in Wedding und Schöneberg – berichtet worden sei, wonach es mit türkischen Gruppen häufiger Probleme gegeben habe, wenn Kollegen derselben ethnischen Herkunft an dem Einsatz beteiligt gewesen seien. Einige Beamte türkischer Herkunft hätte zudem von Schwierigkeiten in ihrem sozialen Umfeld aufgrund ihres Berufes berichtet.

Um zu verhindern, daß aus solchen Schilderungen „leichtfertige Schlüsse“ gezogen werden, hat die Polizeiführung jetzt beim Polizeipsychologischen Dienst eine Studie in Auftrag gegeben. Untersucht werden soll, wie ausländische Bevölkerungsgruppen auf den Einsatz von Polizisten der eigenen ethnischen Herkunft reagierten und ob die Tätigkeit negative Auswirkungen auf das Privatleben der Beamten habe. Wenn sich „die These“ bestätige, daß der Einsatz von Polizisten anderer Ethnien eher eskalierend wirke, müßten aus aus polizeitaktischen und fürsorgerischen Gründen Konsequenzen gezogen werden, sagte Piestert. Denkbar wäre, diese Beamte in bestimmten Situationen nicht mehr einzusetzen.

Seit der Auseinandersetzung in der Dresdener Straße, an der zeitwiese an die 100 Beamte und 50 türkische junge Männer beteiligt gewesen sein sollen, ist die Polizistin türkischer Herkunft, D., krankgeschrieben. Laut Polizeiprotokoll habe die Beamtin versucht, deeskalierend auf die Türken einzuwirken. Daraufhin habe sie ein türkischer Mann angeschrieen: „Du Schlampe, was mischt du dich ein. Du arbeitest mit den deutschen Schweinen zusammen. Du wirst sehen, was du davon hast. Wir dich alle ficken, du Verräterin. Wir kriegen dich schon, wo du wohnst.“ Als die Beamtin über Funk Verstärkung holen wollte, sei sie an den Haaren ergriffen und mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand eines Hausflures geschlagen worden. Nach weiteren Schlägen und Fußtritten habe sie auf die Straße flüchten können.

Der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, warnt allerdings davor, Polizisten türkischer Herkunft „aus dem täglichen Dienst zu nehmen“. Der Anteil der türkischstämmigen Polizeiangehörigen müsse vielmehr „auf über 10 Prozent“ gesteigert werden, fordert Wieland. „Solange sie solche Exoten sind, ist die Frontstellung einfach.“

Wieviele Beamte türkischer Herkunft es gibt, wird allerdings nicht statistisch erfaßt. Denn Polizist werden können nur Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft. Der Geschäftsfüher des Türkischen Bundes, Kenan Kolat, schätzt, daß 30 bis 50 Polizisten türkischer Herkunft sind. Mehr werden es so bald auch nicht, denn die Zahl der Bewerbungen von ausländischen Mitbürgern bei der Polizei sei rückläufig, zitiert Kolat aus einem Schreiben der Innenverwaltung vom vergangenen Dezember. In diesem war der Türkische Bund um Vorschläge gebeten worden, wie diesem Trend entgegengewirkt werden könne.

Kolat weiß, daß vor allem bei jungen Männern der „Unterschicht“ in der türkischen Community eine starke Ablehnung gegenüber der Polizei existiere: „Das hat wirtschaftliche und soziale Gründe, denn die Polizei wird als verlängerter Arm des Staates verstanden.“ Das sei bei Deutschen allerdings auch nicht anders. Auch Kolat meint, daß mehr türkischstämmige Polizisten eingesetzt werden müssen, vor allem Männer. Denn die kritische Kreuzberger Klientel kehre nur allzugern den Macho gegenüber Frauen heraus. Türkischstämmige Kobs könnten eher Zugang finden und zu einer Art „Abi“ (deutsch: großer Bruder) werden, der bei den Jungen großes Vertrauen genieße.

Eine Umfrage der taz in der Dresdener und Oranienstraße zeigte unterdessen, daß die Mehrzahl der jungen Türken es „normalerweise eher gut und beruhigend“ findet, auf türkischstämmige Polizisten zu stoßen. Daß ihre eigene Landsmännin zusammengeschlagen worden ist, wird von den meisten als Legende abgetan. Der 24jährige Bauarbeiter Ali Kerim war keineswegs der einzige, der verriet, daß Polizist eigentlich sein „Traumjob“ sei. „Aber nach zweimal 9. Klasse war das bei mir leider nicht drin.“