■ Käuflicher Irrsinn auf CD, vorgestellt in zwei Teilen – heute:
: Unterhaltungsprogramm für die Wüste

Schöner noch als CNNs grüne Fernsehbilder vom fröhlichen Feuerwerk über Bagdad, schöner noch als die Mampf-stampf-in-allen- Menschenmassen-Stimme von Christiane Amanpur oder das Geständnis Richard Butlers, doch als Unscom-Chef getarnt für die CIA zu arbeiten, wirklich schöner ist nur sie: die Scheibe zum Krieg, die Platte zum chirurgisch-genauen Eingriff, die Mutter aller Tonträger, kurz: das akustische Meisterwerk „Bomb Iraq“.

Ebenso programmatisch-propagandistisch schlicht wie der Name dieser CD ist auch ihr Cover: rotes Fadenkreuz auf gräulichem Untergrund. Das akustische Meisterwerk bietet den herrlichen Zusammenschnitt eines Sonderprogrammes, das der Sender „Pirate Radio L.A.“ 1991 ausgestrahlt hat – zur moralischen Stärkung der in die Wüste stürmenden amerikanischen Soldaten: „We miss you all – and God bless you!“

Nach dem Ende der Aktion „Desert Storm“ waren die Originalbänder mehrere Monate lang in den Wüsten der Golfregion verschüttet. Ein beherzter Zeitgenosse spielte sie gut verschnürt dem Plattenverlag „Tug Records“ zu. Dem Päckchen, das in Abu Dhabi abgeschickt wurde, lag ein Brief bei, in dem sich der beherzte Finder als ein nach Dubai übergelaufener irakischer Archäologe ausgibt, der die Tapes in der Rub al-Khali, dem „Leeren Viertel“ in der Grenzregion zwischen Saudi- Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, ausgebuddelt haben will. Unterzeichnet ist das Schreiben von einem gewissen Mach ma-Hall. Das Label „Tug Records“ veröffentlichte jedenfalls die Bänder und bewahrte damit der Nachwelt einzigartige Tondokumente – ohne Rücksicht auf Urheberrechtler und andere Anhänger der Political Correctness.

Trotz dieser dubiosen Umstände ist es möglich, daß wir heute Moderator Scott Shanon durch ein 20 Minuten und 54 Sekunden langes Unterhaltungsprogramm folgen können. Und das hat sich mit Sand gewaschen: Nach einer angemessenen Begrüßung („you should see the size of my penis, good evening!“) bietet Shanon seinen Hörern Sprüche à la „no brain; no pain“; hält sie auf dem damals aktuellen Stand der gesellschaftlichen Diskussionen, fragt zum Beispiel, ob Saddam Hussein ein mächtiger Politiker ist oder ein mächtiges „party pig““; und gibt spezielle Arabischkurse für in Gefangenschaft geratene GI's, hilft also die gebührende Begrüßung für Saddam Hussein zu finden, nämlich „Sayonara Sucker“. Darüber hinaus berichtet Shanon von Kamel-Hüpf-Turnieren und anderen Sportereignissen im Irak, oder er läßt Saddam Hussein und George Bush zu Wort kommen – im Originalton, versteht sich.

Doch das Wichtigste ist, daß Shanon viel Musik spielt. Er läßt Bill Haley wieder aufleben oder die Nachfolger der Beach Boys, die nur für ihn ihr Lied „Barbara Ann“ neu sangen mit dem Text „Bomb, bomb, bomb Iraq, we should attack...“ „Bomb Iraq“ ist ein Stück Radiogeschichte, das unbedingt mit dem wichtigsten deutschen Hörspielpreis, dem der Kriegsblinden, ausgezeichnet werden sollte.

Doch erstens wird das Stück angesichts der gestern angekündigten Dialogbereitschaft des Irak vielleicht nie wieder ausgestrahlt. Und zweitens muß jede öffentliche Ausstrahlung von „Bomb Iraq“ ausdrücklich durch die US-Football-Liga genehmigt werden – und die gilt gegenüber deutschen Radiosendern als harte Pistazie. Aber wer weiß schon, wie sich die Situation an Golf und Medienmarkt tatsächlich entwickeln wird: Zum Glück ist die CD ja käuflich zu erwerben.

Interessenten sollte indes eine Information nicht vorenthalten werden. Sie befindet sich auf dem Cover der CD und lautet „ACHTUNG! – Keine Parodie.“ Björn Blaschke