■ Pampuchs Tagebuch: Bill Gates und die Wölfe
Eene Woche in Berlin jewesen. Issja für uns Münchner ne ziemliche Wolke. Bin aba selba jeborna Berlina. Sollma also keena wat azähln. Hammse aba doch jemacht. Ist ja auch persönlicher, wenn man mit den RedakteurInnen dieser Zeitung bei Kässpatzen zusammensitzt. Jetzt erhole ich mich in Schwabing von det Janze. In Ruhe, mit meiner schwarzen Kiste, die sich über Silvester einen kleinen Bildschirmhusten zugezogen hat. Aber nichts, was nicht mein persönlicher Laptopshop wieder richten könnte. Sagt er jedenfalls.
Überhaupt, das Persönliche. Nach einer Woche Face-to-face- Gequassel tauche ich wieder in die Tiefen des Netzes. Hier im kleinen München läuft ja inzwischen viel Beziehungsreiches über die Kiste. So habe ich zum Beispiel die „animated personal greeting card“ mit dem „1999 firework“ erhalten, die mir von einer vielversprechenden Jungnetterin aus Haidhausen mit Hilfe von www.bluemountain .com zugespielt wurde. Hei, war das ein Feuerwerk! Und dazu wurde elektronisch auch noch „Auld Lang Syne“, mein persönliches Lieblingsschmalzsilvesterlied, gespielt. Hab' ich mich gefreut!
Daraufhin bin ich einen Abend lang in die persönliche Wunderwelt von bluemountain.com eingetaucht. Das ersetzt ein halbes Amerikanistikstudium. Allein die Liste der Kategorien und Anlässe für die Grußkarten umfaßt 99 Begriffe von „American Heritage“ und „Halloween“ über „Ramadan“ und „Stepmothers“ bis zu „Ex-love“ und „Poetry contest“. Man kann (personal animated) Masseltoff wünschen und Chinesen oder Sinologinnen mit erlesenen Schriftzeichen erfreuen. Unter „monteazul.com“ geht es auch auf spanisch, und überhaupt kann jede ethnic group hier persönlich animieren. Elektronisch zumindest klappt der melting pot. Die Musik ist leider ziemlich scheußlich, was mir besonders bei der Kategorie „Shakespeare“ aufgestoßen ist. Da wird das 116. Sonett (Let me not to the marriage of true minds / Admit impediments...) mit fadem Synthesizer-Dideldum übergossen, und die Zeilen tanzen dazu. Muß aber nicht sein. Man kann nämlich alle Shakespeare-Sonette auch in der reinen Textform mit Grußwort verschicken. Außerdem bekommt man noch eine kleine Einführung in die Sonette. Das mag der Ami.
Weil ich der Haidhausenerin verpflichtet bin, habe ich versucht, ihr dankeshalber eine hübsche „3D-art electronic personal greeting card“ zu übermitteln. Eine Reihe von Wölfen kippen dabei – wenn man sie lange und stier genug anguckt, in ein zweites „magic image“ um. Beim Versenden freilich fing dann ziemlicher Ärger an. Es scheint nämlich, daß Blue Mountain Arts sich in einem heroischen Kampf gegen Microsoft befindet. Kunst gegen Kommerz sozusagen. Jedenfalls teilte man mir mit, es gebe Beweise dafür, daß die „greeting cards“ immer wieder durch Microsoft „trashed“ oder „blocked“ würden. Eine Anzeige gegen Microsoft laufe bereits. Im Falle meiner von Schwabing nach Haidhausen gemailten „magic wolves“ hat der Kampf zu tragischen Konsequenzen geführt. Die Wölfe sind offensichtlich beim Überqueren der Isar elendiglich ersoffen, weil der „recipient“ in Haidhausen die Botschaft des „foreign mailservers“ nicht akzeptierte. Fazit: Microsoft behindert nicht nur die persönliche innerstädtische Kommunikation, Bill Gates vergeht sich auch an unschuldigen Wölflein. Es ist ja wohl klar, auf welcher Seite jeder Tier- und Shakespeare-Freund in diesem Kampf zu stehen hat: Let us not to the marriage of true minds, admit impediments by Billy Gates. Thomas Pampuch
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