Man gönnt sich ja sonst nichts

„Nichts ist so sicher wie der Tod und die Steuer“, sagt der Tod, der Brad Pitt ist. Er besucht den Medienmogul, dem Anthony Hopkins sein Gesicht leiht. „Rendezvous mit Joe Black“ ist ganz souverän der schlechteste Film dieses jungen Jahres. Dennoch, er hat etwas  ■ Von Thomas Winkler

Nach der Berliner Pressevorführung von „Rendezvous mit Joe Black“ stand eine Frau im Kinofoyer und sprach zu niemand Bestimmten, aber so, daß es die Umstehenden hören sollten: „Dieser Film ist eine Zumutung.“

Sie hat natürlich recht. Was soll man schon halten von einem Streifen, in dem der Tod im Körper von Brad Pitt Ferien auf der Erde macht? Nur um zu erfahren, was da so los ist, und mal nicht weiß, wie Erdnußbutter schmeckt oder wie man eine Krawatte bindet? Dafür aber in der nächsten Szene fließend obskure karibische Dialekte aus dem Ärmel schüttelt oder mit biographischen Details aus der Kindheit seines Gegenübers glänzt? Sollte man lachen, wenn der Tod Redensarten wie „Nichts ist so sicher wie der Tod und die Steuer“ zuerst gar nicht und dann falsch versteht? Kann man glauben, daß der von Anthony Hopkins gewohnt souverän gegebene Medienmogul dem Tod nicht einmal ein paar Fragen zu dessen Gewerbe stellt, schließlich ist er von Berufs wegen ja immerhin Journalist? Woher kommen wir, wohin gehen wir und all das Zeugs, das die Menschheit seit Jahrhunderten schwer interessiert? Was ist das überhaupt für ein Film, in dem nur rumgestanden und geredet wird? Wie soll man einen Film denn finden, der fast drei Stunden dauert, weil die Schauspieler nach jedem Wort minutenlange Pausen einlegen?

Das ist natürlich eine Zumutung. Dieser Film mutet einem ein solches Maß an Romantik und Emotion, Unlogik und Irrationalität zu, daß er von so ziemlich allen noch halbwegs normalen Menschen, außer vielleicht denen, die wirklich unsterblich in Brad Pitt verliebt sind, verdientermaßen als Zumutung verstanden wird. In den USA war das jedenfalls so. Die L.A. Times meinte, nun wüßte man endlich, „woher der Ausdruck ,tödlich langweilig‘ stammt“. Selbst das Branchenblatt Variety, sonst eher vorsichtig im Umgang untereinander, hatte eine „überelaborierte Wunderlichkeit“ gesehen. Positive Wortmeldungen sind nicht überliefert.

Selbst die Verantwortlichen mochten nicht zu ihrem Werk stehen. Brad Pitt umging in Interviews geschickt direkte Fragen zum Film und hatte Glück, daß alle Welt gerade eh nur seine Frauengeschichten interessierten. Selbst Regisseur Martin Brest, der die Grundkonstellation für „Joe Black“ aus „Death Takes a Holiday“ (1934) übernommen hatte, teilte ganz öffentlich mit, daß der Film viel zu lang geworden sei, daß er aber auch nicht wüßte, wo er was hätte rausschneiden sollen. Ein Wunder, daß er sich noch nicht in Alan Smithee umbenannt hat.

Ja, was haben wir denn da? Etwa tatsächlich den schlimmsten Unfall in der 104jährigen Geschichte des bewegten Bildes? Das Jahr mag noch jung sein, aber wenn es in elf Monaten zu Ende geht, wird sich in den unvermeidlichen Jahresabschlußcharts hundertprozentig mehrfach „Joe Black“ in den Kategorien ganz oben finden, die mal „Haßfilm“, mal „Schlechtester Film des Jahres“ heißen.

Und doch kommt jetzt der schwierige Teil, kommt das Aber. Es ist kein sehr großes Aber, aber irgend was hat „Rendezvous mit Joe Black“. Irgend etwas, das einem drei Stunden nicht unerträglich lang werden läßt. Irgend etwas, das einen die Kalauer, die oft nichtssagenden Dialoge und ein unlogisches Skript ertragen läßt. Irgend etwas, das einen darüber hinwegsehen läßt, daß im Remake all die wirklich interessanten Fragen nicht gestellt werden im Gegensatz zu „Death Takes a Holiday“, wo der Tod auf die Erde kam, um zu erfahren, warum denn die Menschen so am Leben hängen. Irgend etwas muß da sein, aber was.

Vielleicht ist es eine ganz simple Verführung: Hübsche Menschen in exquisiter Bekleidung wandeln durch teuerste Einrichtungen. Reine Schönheit. Das Gesicht von Claire Forlani, ihre Augen, wenn sie verliebt auf Brad Pitt ruhen. Die Bilder von Cezanne, Matisse, Rauschenberg und Kandinsky an den Wänden verschwenderischer Landsitze. Liebe, Liebe, LIEBE und sogar Geigenschmelz. Anzüge und Kleider von den weltbekannten Schneidern. Und wenn Brad Pitt seine Brust entblößt, ist eh nur noch Seufzen.

Vielleicht ist es auch, daß man Brest bewundern muß, wenn er sich Bilder ausdenkt, die nicht wirklich interessieren, keine Geschichte vorantreiben, doch berückend schön sind. Vielleicht, weil er es wagt, die Frage zu stellen, wie der Tod wäre, wenn er sich verliebte, und dann doch lieber keine Antwort gibt. Vielleicht muß man Brest verstehen, daß er sich einfach den Luxus gönnt, ein Nichts auch noch ganz gaaanz gemütlich zu erzählen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Auch wenn das zugegebenermaßen doch ein bißchen wenig Anlaß ist, für 90 Millionen Dollar Produktionskosten.

„Meet Joe Black“. Regie: Martin Brest. Mit Brad Pitt, Anthony Hopkins, Claire Forlani, Marcia Gay Harden u.a. 174 Minuten, USA 1998