Das Porträt
: Bissiger, als der Minister erlaubt

■ Volker Haas

Volker Haas liebt die Provokation. So weit geht die zänkische Lust, daß sie ihn selbst am Tage seiner Zwangsversetzung vom Amt des Stuttgarter Polizeipräsidenten ins Innenministerium überkommt. „Meine neue Tätigkeit“, ätzt Haas, „wird bestimmt auch eine ehrenvolle Aufgabe.“

Jahrelang hat er seine Vorgesetzten brüskiert, vor allem indem er verlangte, in der Landeshauptstadt Fixerstuben einzurichten und Heroin kontrolliert an Schwersüchtige abzugeben. Vorgestern wurde der 61jährige von Innenminister Thomas Schäuble (CDU) wegbefördert. Diesmal ging es um eine kurdische Trauerfeier. Anfang Januar war ein 23jähriger Kurde gestorben, nachdem er sich in der Abschiebehaft in Stuttgart-Stammheim selbst angezündet hatte. Am Mittwoch letzter Woche sollte eine Trauerkundgebung stattfinden. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) stoppte 2.500 Demonstranten, weil sie den Leichnam mitnehmen wollten. Politische Kundgebungen mit Toten widersprächen dem Gesetz, hieß es. Haas machte sich bei OB und Innenminister für eine Rücknahme des Verbots stark. Als die nicht auf ihn hörten, stichelte der Polizeipräsident: „Schade“ sei es, daß „wir in Stuttgart“ kein Beispiel an Toleranz und Respekt gegeben hätten. Verärgert entgegnete OB Schuster grob, wer eine Zurschaustellung von Leichen als Ausdruck von Toleranz bezeichne, nehme eine „schlimme Tradition der Nazis“ auf. Haas retournierte elegant mit einer Strafanzeige – da wurde er abgelöst.

Der Anlaß muß Minister Schäuble gefreut haben. Als ihn Haas vor drei Jahren erneut mit seinen Thesen zur Drogenpolitik ärgerte, wollte er ihm einen Maulkorb verpassen, wie es schon einer seiner Vorgänger getan hatte. Der Polizeichef ließ den kleinen Bruder des großen CDU-Vorsitzenden ins Leere laufen, indem er sich selbst ein Schweigegelübde auferlegte. Er wolle „jeden Loyalitätskonflikt“ vermeiden, behauptete der Fliegenträger und zog das Medieninteresse noch mehr auf sich. Später ärgerte Haas die CDU, die er 1990 verließ, indem er im OB-Wahlkampf auf Veranstaltungen des Grünen Rezzo Schlauch auftauchte. Schuster, Sieger dieser Wahl, versucht nun sogar, sich von Haas' Bissigkeit etwas abzugucken. Nach dessen Absetzung sagte er: „Ich habe gern mit Herrn Haas diskutiert.“ Georg Löwisch