Das Porträt
: Der olympische Kiffer ist entspannt

■ Ross Rebagliati

Gestern ist er erst gar nicht mehr im Starthaus erschienen, oben am Götschen. Was eine echte Enttäuschung war für die Leute. Tags zuvor hatte er sich immerhin noch in die Riesenslalom-Spur gestoßen. Zwar war er am Ende bloß Zehnter, aber die Zuschauer bei der FIS-Snowboard-WM in Berchtesgaden haben seinen Auftritt dennoch so gespannt verfolgt wie keinen anderen. Weil immer, wenn er fährt, jedem seine Geschichte von den Olympischen Spielen in den Sinn kommt. Ganz automatisch.

Aha, da fährt Ross Rebagliati, der Olympiasieger von Nagano 1998, der Marihuana im Blut hatte. Der Mann, von dem es nach der Dopingprobe hieß, er werden seine Medaille zurückgeben müssen, und der sie dann doch behalten durfte. Der weltweit bekannt wurde, weil er einen Skandal entfachte.

Rebagliati (27) kann machen, was er will. Die Geschichte von Nagano wird er nicht mehr los. Sie paßte zu gut zum Klischee, daß unter den Snowboardern die größten Kiffer im Sportbetrieb seien. Rebagliati selbst ist auch keinem böse, der heute noch einmal auf die Geschehnisse zu sprechen kommt. Geduldig erzählt er noch einmal, daß er ja nur passiv mitgeraucht habe mit seinen Mitbewohnern und „nicht im entferntesten“ gedacht habe, daß „die was in meinem System finden könnten“.

„Die Leute können immer glauben, was wie wollen“, sagt er. Der Olympiasieg hat ihm viel Achtung eingebracht, der Trubel um ihn viele PR-Termine, Werbeverträge. „So geht das Spiel“, sagt er, „Sponsoren, Aufmerksamkeit, das ist das, wonach jeder sucht. So überlebst du.“

Nach Nagano verabschiedet er sich erst mal vom Rennbetrieb, um dem Rummel in der Heimat nachkommen zu können und den neuen Sponsoren Genüge zu tun. „Das war nicht nur Urlaub.“ Sagt er. Andere sagen: sondern auch Surf-Urlaub.

Zwar steht er derzeit gerade mal auf Platz 25 im FIS- Riesenslalom-Weltcup, aber in Berchtesgaden konnten sie nicht auf ihn verzichten – es gibt keinen, der mehr Aufmerksamkeit erregt. Warum er gestern nicht aufs Snowboard wollte? „Ich möchte nicht gegen Menschen fahren, nur gegen die Zeit“, ließ er ausrichten. Vielleicht haben ihn die Marihuana-Geschichte und der Ruhm, der ihr folgte, doch ein bißchen träge gemacht. Zumindest aber mal total entspannt. Fred Stein