Theater satt: Horror, Hahnrei und hohes C

■ Chargen in Hochform: Die Operetten-Dramolette von Jacques Offenbach als ein Stück mit Zwischenspielen in "Le Cirque Offenbach" im Schmidt

Jacques Offenbach plagten die Sorgen. Die Gesetzeshüter machten ihm mit Absurditäten das Leben schwer, und die Moden – wie der eben erfundene Can-Can – drohten anderswo stattzufinden – und ihm somit das Publikum zu entfremden. In rasanter Folge, immer leicht jenseits der Grenze zum Ruin, inszenierte er also in seinem kleinen Theater der Bouffes Parisiens ein Stück nach dem anderen – groteske, leichtfüßige Parodien auf die großen Opern (ein Genre, mit dem er selbst keinen Erfolg hatte). Da metzeln sich skurrile Rittersleute, und Wilde verspeisen Gattinnen und Besucher, die ahnungslos an den Strand gespült werden.

Mit gutem Geschmack hatte das nie zu tun. Die Gaudi lag in der Respektlosigkeit. In den rotplüschigen Saal des Schmidt passen die Offenbachschen Phantastereien besonders gut. Hier wird nun Le Cirque Offenbach gegeben. Angekündigt war ein „Schlüsselloch-Blick in die Hexenküche des wahn-witzig-genialen“ Workaholics. Herausgekommen ist immerhin ein „szenisch-musikalischer Bilderbogen aus den frühen Opéras Comiques und Operetten von Jacques Offenbach“, eine lockere Szenenfolge einiger Offenbachscher Schrägheiten.

Regisseur und Bearbeiter Wolfram Kremer beläßt Offenbach (Günter Schoßböck) in der Rolle eines Conférenciers, dessen Anwesenheit zwar für vergnügliche Brüche in der abstrusen Theater-Realität der Kurzdramen sorgt, aber keine über kurz angerissene Impressionen hinausreichende Erkenntnisse liefert. Nur wer die Pressekonferenz besucht hat, weiß, daß Offenbach zum Beispiel nie mehr als vier Sänger oder Tänzer zugleich auf seiner Bühne agieren lassen durfte – eine Auflage der Ordnungsbehörden, die sein ganzes Schaffen bestimmte.

Doch auch als lockere Folge kurzer Dramolette ist der Offenbach-Abend unterhaltsam: Der Komponist und seine Truppe zeigen Leckerbissen wie die Räuberpistole Tromb-Al-Ca-Zar, das Wilden-Spektakel Häuptling Abendwind und die Rüstungs-und-Degen-Klamotte Ritter Eisenknacker in einer hervorragenden Besetzung, bei der Kräfte wie Wolfgang Noack, Wolfram B. Meyer, Claudia Gáldy, Burkhard Heim oder Kerstin Mäkelburg zeigen, daß chargierende Darsteller als Komiker überzeugen, und trotzdem auch noch gut singen können.

Und ein Verdienst ist der Abend schon, weil er (auch durch die schön schrägen deutschen Übersetzungen von Kremer) zeigt, daß die Operette ursprünglich eine geschmack- und respektlose komische Angelegenheit nur knapp über der Gürtellinie war – und nicht das gepflegte Sylvester-Divertissement, als das man sie hier meist kennt. Thomas Plaichinger