„Das erinnert an Tierkäfighaltung“

■ Eine Bürgerinitiative protestiert gegen die Architektur der zukünftigen Bebauung des Sportplatzes Rotherbaum durch das Schweizer Architektenkollektiv Atelier 5 / Ein Gespräch mit Wolfgang Keim, Mitbegründer der Initiative

Eine Bürgerinitiative gegen schlechte Architektur ist ein Novum für Hamburg. Seit einigen Monaten kämpfen Anwohner des ehemaligen HSV-Sportplatzes am Rotherbaum gegen die zukünftige Gestaltung des dort zu erwartenden Siedlungsbaus.

Ein städtebaulicher Ideenwettbewerb war 1993 von dem Schweizer Büro Atelier 5 gewonnen worden. Überraschenderweise gab es anschließend keinen Realisier-ungswettbewerb mehr. Atelier 5 wurde mit der Ausführung des gesamten Komplexes beauftragt, der 220 Wohnungen (ein Drittel öffentlich gefördert), ein Altenheim (99 Plätze) und einen Büroriegel zur Rothenbaumchaussee mit 22.200 qm umfaßt. In diesen Wochen wird vom Investor, der Hanseatica, nun doch für das Bürohaus und das Altenheim ein neuer eingeladener Wettbewerb ausgeschrieben. Beteiligt werden sollen u.a. Norman Foster, Hilmar und Sattler, Massimiliano Fuksas und Atelier 5.

Der Zorn der Initiative aus Bürgern und Grundbesitzern des Viertels, die 850 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt haben, richtet sich aber hauptsächlich gegen die Architektur der Wohnbebauung. Wolfgang Keim ist einer der Hauptinitiatoren.

Herr Keim, Sie gehören einer Bürgerinitiative an, die die Architektur der Bebauung des ehemaligen HSV-Sportplatzes Rotherbaum verhindern möchte. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich bin der Eigentümer eines Hauses in der Heimhuder Straße, also unmittelbar neben dem Gelände. Ebenso wie meine gesamten Nachbarn dort lege ich Wert auf ein anständiges Erscheinungsbild unserer Häuser, dafür haben wir viel Geld investiert. Wir haben teilweise museale Instandsetzungen unternommen, weil wir der Meinung sind, daß wir als Eigentümer der Allgemeinheit gegenüber die Pflicht haben, diese architektonischen Kulturleistungen zu bewahren. Daraus erheben wir aber auch den Anspruch, daß andere diese Kulturleistung in der Gegenwart fortsetzen.

Und das sehen Sie bei der Umsetzung der Wohnbebauung durch das Schweizer Architekturbüro Atelier 5 nicht gewährleistet?

Die Atelier-5-Architektur hat den Charme einer Kaserne und ist ein Massenbauwerk von einfachster Art und Weise. Es ist die ewige Wiederholung eines stupiden Schachbrettmusters, wie es in den 70er Jahren zu Tode geritten wurde. Die Architektur aus den 70er Jahren aber hat überall in Deutschland die Lebensräume verunstaltet. Wir wollen vermeiden, daß hier das Gleiche wieder passiert.

Wie sieht Ihre Alternative aus?

Die Alternative ist von ganz grundsätzlicher Art: Wir wollen kein Massenbauwerk. Dieses Konzept ist für diesen Stadtteil mit seinen vielen schönen Einzelbauwerken eine Katastrophe. Deswegen müßte das ganze Gebiet, wie es hier immer üblich war, in Einzelgrundstücke parzelliert von vielen einzelnen Bauherren bebaut werden. Wir brauchen hier, weil offenbar nur so die Qualität dieses Viertels bewahrt werden kann, viele unterschiedliche architektonische Gestaltungen.

Und Sie meinen, daß man für die vielen einzelnen Parzellen auch Bauherren gefunden hätte?

Das ist in diesem Stadtteil überhaupt kein Problem. Ich kenne viele Leute, die gerne dort ein Haus errichten würden. In der Ausschreibung des Ideenwettbewerbs stand ausdrücklich, daß man die Baukörper in unterschiedliche Gebäude aufteilen können muß. Stattdessen realisiert Atelier 5 jetzt diesen monotonen Klotz, in dem Menschen zusammengepfercht werden. Die Häuser sind so eng nebeneinander gebaut, daß es überhaupt keine Privatsphäre mehr geben kann. Zwischen den Fassaden liegen gerade 5 Meter.

Ist denn die Bürgerbeteiligung, sind die Einwände Ihrer Initiative ernst genommen worden?

Überhaupt nicht. Bei der Bürgerbeteiligung haben die Behörden- und Parteienvertreter nur ihr Pflichtprogramm abgesessen und haben keinen einzigen der Einwände, die dort erhoben wurden, auch nur zur Kenntnis genommen. Aber auch all das, was wir im Vorfelde an Ideen in das Wettbewerbsprogramm mit eingebracht haben, ist vom Tisch gefegt worden.

Wahrscheinlich, weil es bequemer ist, mit einem Büro und einem Investor zusammenzuarbeiten.

Wenn man mal schätzt, daß man aus diesem Grundstück 10-20 Parzellen schneiden könnte, dann kann es ja wohl für die Stadt nicht das Problem sein, mit 20 Eigentümern administrativ fertig zu werden. Man sollte diese zwanzig Leute danach auswählen, ob sie qualitätvolle Architektur garantieren, ohne daß das den Ertrag für die Stadt schmälern würde. Und ich bin fest davon überzeugt, daß wir einen Run von Leuten hätten, die beweisen würden, daß man hier attraktive, bewohnbare und quartierverträgliche Häuser bauen kann.

Wie hat die Stadtentwicklungsbehörde auf ihre Kritik reagiert?

Wir haben versucht, mit Argumenten unsere Position darzustellen und wurden mit Floskeln abgespeist. Stadtentwicklungssenator Mirow hat uns Briefe geschrieben, die absolut substanzlos waren.

Das Atelier 5 hat ja eigentlich einen sozialen Anspruch. Ihr Motto ist: „Wir bauen nur Häuser, in denen wir selbst wohnen würden.“

Das kann für dieses Projekt wohl kaum gelten. Diese Bebauung ist nicht sozial, hier werden Zwangskollektive geschaffen. Denn die geplanten Häuser sind so eng, daß die Menschen sich gegenseitig belästigen müssen. Das erinnert stark an Tierkäfighaltung. Das hier ist geschicktes Bauengineering unter dem Gesichtspunkt, wie pferche ich möglichst viele Menschen möglichst rentabel zusammen. Rings herum bestehen aus guten Gründen Milieuschutzgebiete. Und da mitten hinein ein derartiges Quartier zu bauen, ist einfach unverantwortlich und kulturlos. Das ist Politik völlig gegen die Interessen der Bürger.

Es ist aber nicht Ihr Anliegen, hier jetzt tote Architektursprachen wiederaufleben zu lassen.

Überhaupt nicht. Aber aus der Entwicklung der Moderne folgt nicht, daß man ein solches eintöniges Massensilo bauen muß. Gerade in neuester Zeit sind in Hamburg zahlreiche Beispiele gelungener Architektur entstanden, die die Überwindung der Massenarchitektur der 70er Jahre demonstrieren.

Wie werden sie weiter vorgehen?

Damit der Bebauungsplan, also die Grundlage für diese Bebauung, ausgelegt werden kann, bedarf es eines Auslegungsbeschlußes des Bezirkes. Wir versuchen durch intensive Gespräche mit den politischen Vertretern, diesen Beschluß zu verhindern, damit dann eine gute Alternative entwickelt werden kann. Fragen: Till Briegleb