Eine Billion Dollar Umsatz pro Jahr

Über die Gewinne und Vermögen von Gruppen der Organisierten Kriminalität und der durch sie angerichteten Schäden im allgemeinen und der Mafia im besonderen gibt es höchst unterschiedliche Einschätzungen. Schon die Ansätze sind sehr verschieden: Der Schaden kann als rein fiskalischer Schaden – illegale Herstellung, Steuerhinterziehung, Zollvergehen –, aber auch zusammen mit den Folgelasten wie etwa den Entzugskosten für Süchtige aufgelistet werden. Meist werden nur die Umsatzzahlen und die Gewinnmargen genannt:

So rechnet etwa das Wirtschaftsblatt il Mondo 1997 den Umsatz aller organisierter Gruppen in Europa auf etwa 350 Milliarden Dollar hoch. Weltweit geht die gleiche Rechnung von etwa einer Billion Dollar aus. Die Antimafiakommission des italienischen Parlaments kommt dagegen nur auf die Hälfte dieser Summe.

Die italienische Cosa Nostra war nach allen Einschätzungen in den achtziger Jahren zu etwa vierzig Prozent an den europäischen Umsätzen beteiligt. Mittlerweile aber ist ihr Anteil stark gesunken. Für 1997 gehen Schätzungen von Umsätzen weit unter hundert, möglicherweise gar unter fünfzig Milliarden Dollar aus.

Hauptgewinnbereich war in den achtziger Jahren das Rauschgiftgeschäft, das international etwa vierzig Prozent der Umsätze einfuhr, in Italien gar an die sechzig Prozent, mit Gewinnmargen bis zu fünfzig Prozent. Waffenhandel lag mit etwa zehn Prozent darunter, Menschenschieberei und Schutzgelderpressung lagen bei fünf beziehungsweise fünfzehn Prozent, illegales Glücksspiel bei etwa zwölf Prozent. Mitte der neunziger Jahre ist der Rauschgifthandel im Abnehmen begriffen, speziell der von den italienischen Gruppen hauptsächlich betriebene Heroinhandel, gegen den sich das von südamerikanischen Gruppen gehandelte Kokain durchgesetzt hat. So lancieren die Clans notgedrungen wieder eher traditionelle Bereiche wie Schutzgelderpressung und Glücksspiel.

Aufgeteilt wird der Gewinn der Mafia unter knapp zweihundert „Familien“ mit insgesamt etwas über fünftausend Mitgliedern im harten Kern (also rituell aufgenommenen „Uomini d'onore“, Männer der Ehre, wie sie sich nennen); dazu kommen noch etwa fünfzig- bis siebzigtausend Zuarbeiter – vom Auftragskiller bis zum Rechtsanwalt, vom Steuerberater für die Geldwäsche bis zum hörigen Politiker. Einzelne Mafiabosse haben große Reichtümer angehäuft: Dem 1993 verhafteten „Boß aller Bosse“, Toto Riina, wurden Geldmittel und Liegenschaften im Wert von mehr als dreihundert Millionen beschlagnahmt – vermutlich handelte es dabei nur um einen Teil seiner Besitztümer. Werner Raith