Prozentrechnung und Optimismus
: 3,4 Prozent wovon?

■ Es kommt immer auf die Basis an: Ein Blick hinter Bremer Wachstumszahlen

Wenn einer, der 100 Mark hat, 3,4 Prozent Zuwachs bekommt, dann hat er 3 Mark 40 mehr. Wenn ein anderer, der 170 Mark hat, 2,9 Prozent Zuwachs bekommt, dann hat er knapp 5 Mark mehr. Wer von beiden hat den Spitzenplatz? So ungefähr stellt sich das Problem des bremischen Wirtschaftswachstums. Mit 3,4 Prozent (im Vergleich der ersten Halbjahre 1998 und 1997) habe Bremen „erneut einen Spitzenplatz“ im Vergleich zu den anderen Bundesländern, so machen sich die beiden Parteien der großen Koalition seit Monaten Mut. Es geht aufwärts, das Sanierungsprogramm zeigt seine ersten Erfolge, wird öffentlich erklärt.

Ohne weiter ins Detail zu gehen verkaufte auch Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau die Botschaft der 3,4 Prozent in der Haushaltsrede den Volksvertretern der Bürgerschaft. Und niemand verlangte Aufklärung. Dabei zeigt schon der Blick in die Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes, daß die Zugpferde des Wachstums in Bremen in den exportträchtigen Bereichen des Fahrzeug- und Maschinenbaus lagen. Mit den Sanierungs-Subventionen hat dieses Wachstum weniger zu tun als mit dem bundesweit festgestellten Export-Boom.

Wenn eine Zwei-Städte-Staat wie das Land Bremen verglichen wird mit Flächenstaaten und ihrem agrarischen Anteil, dann wird das Ergebnis unseriös. Aber – und das hat bisher in Bremen niemand laut gesagt – vor Bremen in der Prozent-Tabelle liegen nicht nur Baden-Württemberg und Bayern, auch das umgebende Flächenland Niedersachsen hat stolze 4,3 Prozent aufzuweisen. Entscheidend für die seriöse Bewertung des „Spitzenplatzes“, den Bremen mit seinen 3,4 Prozent angeblich hat, ist der Basiswert, auf den sich diese Steigerung bezieht. Diese Zahlen gibt es für 1998 noch nicht.

Ein Großstadt-Vergleich ist nur für 1994 möglich, „Bruttowertschöpfung pro Einwohner“ heißt die statistische Größe. Hannover liegt da mit 118.000 Mark pro Einwohner deutlich vor Duisburg mit 102.000 oder Bremen-Stadt mit 104.000, Hamburg hatte bei der dreifachen Einwohnerzahl 128.000 Mark pro Einwohner, München hatte 142.000, der Landkreis München sogar 170.000 Mark Bruttowertschöpfung pro Einwohner (BWS). Das bedeutet: Das Bremer Wachstum müßte fünfzig Jahre einen „Spitzenplatz“ in der Länderstatistik haben, um an die Spitzen-Großstädte heranzukommen.

Die Statistik zeigt das Problem der bremischen Lage: In Düsseldorf etwa kommt der ganze Regierungsbezirk mit zwei Millionen Einwohnern auf eine BWS von 101.000, im Regierungsbezirk Oberbayern erwirtschaften 1,9 Millionen Menschen 121.000 Mark pro Nase. Das ist der Speck, aus dem eine Metropole ihre teuren Einrichtungen finanziert. In Bremen wollen 300.000 Einwohner mit einer BWS von 104.000 in der Liga westdeutscher Landeshauptstädte spielen. Ein Wachstum von 3,4 Prozent ist sehr schön, ändert aber nichts an dem Problem. K.W.