„Bin ich zu dumm oder zu häßlich?“

■ Das Frühjahrssemester der Volkshochschulen läßt keine Fragen offen. In Kreuzberg führen Deutschkurse die Beliebtheitsskala an

Ab Montag heißt es für Tausende Berliner wieder: lernen, lernen, nochmals lernen. Ob Kampfhundhaltung, Internet-Surfen, Rückengymnastik, Tango argentino – das neu beginnende Frühjahrssemester der Volkshochschulen läßt keine Wünsche offen.

Die VHS Prenzlauer Berg glänzt mit dem Kursangebot „Das Gesicht verrät den Charakter eines Menschen“ – wer schon immer wissen wollte, wem er auf den ersten Blick vertrauen kann, ist hier gut beraten. Auch Politikberatung wird großgeschrieben. „Wen wähle ich und wenn ja, warum?“ Eine Frage, die sich der eine oder andere vielleicht schon einmal gestellt hat, aber bisher nie zu beantworten wagte.

Das Private kommt ebenfalls nicht zu kurz: Der Kursus „Single- Dasein – Lust oder Frust“ beantwortet die existentiellen Fragen des Daseins: „Bin ich zu dumm oder zu häßlich?“ „Wie machen das nur die anderen, die immer einen Partner haben?“

Auch der Ernst des Lebens fordert sein Recht. Schöner werden und arbeiten – die Volkshochschule Hohenschönhausen hebt diesen Widerspruch dialektisch auf. Dort soll eine „Schminkschule“ den VHS-Pennälern helfen, bei Bewerbungen eine gute Figur zu machen. Überhaupt, berufliche Bildung! Steuerrecht, Desktop-Publishing, Arbeitsbesprechungen kreativer gestalten – kein Wunder, bei den vielen Arbeitslosen, daß die Qualifikation für den Markt zum absoluten Publikumsliebling avanciert ist.

Außerdem der Renner im neuen Halbjahr: Sprachkurse. „Deutsch als Fremdsprache ist ausgebucht“, berichtet Monika Breger, Direktorin der Kreuzberger VHS. Insbesondere das Angebot an Deutschkursen für Menschen ausländischer Herkunft habe zugenommen. Der Bezirk, der mit der Abwanderung verschüchterter Deutscher kämpft, läßt sich das 480.000 Mark extra kosten. Im Februar läuft das Projekt „Elternkurse“ an. Während die Kinder im Klassenzimmer nebenan zur Schule gehen, können die Eltern in Sprachkursen Deutsch lernen „Das Interesse ist sehr, sehr hoch“, bilanziert Monika Breger.

In Hohenschönhausen hat man mit anderen Fragen zu kämpfen. „Warum stressen mich alle so?“ Hier ist zu erfahren, warum „die Familie ständig nervt“. Und weil sich viele der Gestreßten offenbar als Pitbull-Liebhaber erweisen, hat man auch den Kursus „Haltung und Erziehung von Hunden“ ins Programm aufgenommen.

Gestreßt sind auch die Dozenten der Volkshochschulen. Ihr Honorar bewegt sich nach eigenen Angaben „gerade über dem Sozialhilfesatz“. Die letzte Honoraranpassung der rund 1.400 Volkshochschullehrer erfolgte 1993, in Tempelhof strich der Bezirk für 1999 die Honorargelder um 47.000 Mark. Nach Angaben der Dozenten werden die Berliner ohnehin schon von der Macht des Wissens ferngehalten: Die Weiterbildungsdichte betrage in Berlin 140 Unterrichtsstunden pro 1.000 Einwohner. Großstädte wie München erreichen fast das Doppelte. Andreas Spannbauer