„Mehr Demokratie“ macht das Unmögliche möglich

■ Ein Verein sammelt Unterschriften, obwohl eine Verfassungsänderung gar nicht zulässig ist

Auf die Unterschriften der BerlinerInnen hat es nicht allein die CDU abgesehen. Auch Sammler des Vereins „Mehr Demokratie in Berlin“ stehen an Straßenecken und U-Bahn-Stationen und strecken den Passanten Blatt und Stift entgegen. Bis zum 31. Januar haben sie noch Zeit, für ihren Antrag auf ein Volksbegehren 25.000 Unterstützer zu finden. Die zentrale Forderung: Die Bürger der Hauptstadt sollen auch in den Bezirken mitentscheiden können.

In Sachen direkter Demokratie hat Berlin Nachholbedarf: Während beispielsweise im bayerischen Bamberg die Bürger über Sinn oder Unsinn einer Umgehungsstraße entscheiden dürfen, entscheiden in Berlin allein Abgeordnete über Projekte wie den Tiergartentunnel oder den Palast der Republik.

Bei solchen Projekten können die Stimmberechtigten die Abgeordneten lediglich per Volksinitiative zwingen, über die Frage erneut zu entscheiden – mit ungewissem Ausgang, wie derzeit beim Transrapid zu sehen ist. Bürgerentscheide auf Bezirksebene sind in der Landesverfassung überhaupt nicht vorgesehen. Mit den 1995 eingeführten Volksbegehren auf Landesebene kann das Wahlvolk nur Gesetze einführen, aufheben oder verändern – oder gleich das Abgeordnetenhaus auflösen. Eine Änderung der Verfassung selbst ist jedoch „unzulässig“, wie es in Artikel 62 heißt. Im Klartext: Bürgerentscheide lassen sich also gar nicht per Bürgerentscheid einführen, das Anliegen von „Mehr Demokratie“ ist somit zum Scheitern verurteilt.

Die Initiatoren wollen ihr Volksbegehren trotzdem so weit wie möglich vorantreiben. Sie setzen auf das politische Gewicht der Unterschriften. „Was nützt ein Grundrecht, wenn es nicht genutzt werden kann“, sagt Oliver Hinz, der Pressesprecher des Bundesverbands in München.

Für ihren Antrag auf ein Volksbegehren braucht der Verein, der in Berlin gut 100 Mitglieder hat, 25.000 Unterschriften. 30.000 Autogramme hat er sich zum Ziel gesetzt – denn Namen, die nicht lesbar sind oder nicht mit dem Eintrag im Wahlverzeichnis übereinstimmen, zählen nicht. Noch fehlen 6.000 Unterschriften, aber der Sprecher des Berliner Landesverbands von „Mehr Demokratie“, Kurt Wilhelmi, ist optimistisch. „Zwischen 300 und 700 Unterschriften kommen täglich hinzu“, sagt er.

Die Reihe der zumindest verbalen Unterstützer reicht von den Bündnisgrünen und dem Bund für Naturschutz bis zur Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer und dem Bund der Steuerzahler.

Der nächste Schritt wäre im April das eigentliche Volksbegehren. Dann müßte mindestens jeder zehnte wahlberechtigte Berliner, also rund 250.000 Menschen, unterschreiben. Erst dann käme es zu einer Abstimmung. In einem Volksentscheid würden die Berliner über den Entwurf zum „Berliner Gesetz für direkte Demokratie“ abstimmen, den „Mehr Demokratie“ vorgelegt hat. Um die Abgeordneten zu einer Verfassungsänderung zu animieren, will die Initiative ihre Gesetzentwurf jedes Jahr in den fünf größten Berliner Tageszeitungen veröffentlichen – als ständige Mahnung.

Ob sich die Abgeordneten beugen werden? Wahrscheinlicher ist, daß es den Mitgliedern des Berliner Vereins „Mehr Demokratie“ ebenso ergeht wie ihren Kollegen in Bremen. Dort erklärte der Senat einen solchen verfassungsändernden Vorschlag für unzulässig. Jetzt wird darüber vor dem Bremer Landesverfassungsgericht entschieden. rab, zel