■ Vorlauf
: Ein Moment für ganz starke Nerven

„Rosa Roth: Wintersaat“, Sa., 20.15 Uhr, ZDF

Vom Samstagabend-Krimi erwartet der Zuschauer gewöhnlich keine Auseinandersetzung mit politischen Themen. Daß aber gesellschaftlicher Diskurs mit unterhaltsamen Mitteln möglich ist, ohne unter die Räder zu kommen, zeigen heute Iris Berben/Carlo Rola & Team plus Buchschreiber Wolfgang Limmer: Wie diskutiere ich mit einem Neonazi? Wie/warum wird einer eigentlich ein Rechter? Sind die Eltern schuld? Die 68er? Was haben die Altnazis damit zu tun? Was sollen die Medien machen? Newsgeilheit um jeden Preis? Links = rechts? Polizei, SEK, BKA – sind blöd, dürfen alles? Mut & Feigheit & Verrat, Männer & Frauen, Geisel-/Täter- Syndrom, DVU, Bad Kleinen und vieles mehr kommen auch noch vor. Genau: Das alles liest sich fürchterlich. Sieht bei Rosa Roth aber eben ganz anders aus. Kommt einfach so rüber.

Was das ZDF über den Plot verbreitet, liest sich auch fürchterlich, nämlich harmlos. Kurzfassung: Kommissarin Rosa R. kriegt am Arbeitsplatz einen Anruf vom Jungnazi Attila (Uwe Bohm, ziemlich gut), der an einem Fememord beteiligt und mit dem anderen Täter von einer Neonazitruppe aus dem Prozeßsaal herausgehauen worden war. Rosa soll sich gegen die Geisel, die dabei unplanmäßig genommen wurde, aber schwer krank ist, austauschen lassen. Macht sie. Wird verschleppt ins Nazi-Versteck: Meck-Pomm, trostlos grau, Bauernhof („Eigentlich ein Jugendlager für Schwererziehbare“ – trifft den Nagel auf den Kopf). Eine Fernseh-Tussi mit laufender Kamera (Scheckbuch-Deal mit dem Nazi-Anwalt) kommt per Heli an: TV-Nazi-Selbstdarstellung live. Im Nazi-Versteck Nazi-Feier. Die Fememörder sollen nach Dänemark, in Wahrheit aber per Autobombe ermordet werden, nehmen Rosa mit – „und jetzt kommt der Moment für ganz starke Nerven“. Erstens nämlich kommt's ganz anders, als der Krimigucker denkt, zweitens wird die meiste Zeit geredet. Und drittens ist das alles – trotzdem spannend. Ulla Küspert