■ Kulturminister Naumann und Architekt Eisenman sind sich einig
: Mahnmal in Harmonie

Es wird ein Mahnmal geben. Mit diesem zuversichtlichen Satz wurde stets der schlichte Fakt abmoderiert, daß die Meinungen über ein zukünftiges Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa bis zur Unkenntlichkeit auseinandergingen. Gebaut wird nicht, war hingegen der klare Tenor, den man noch zuletzt den Äußerungen von Berlins Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen entnehmen konnte. Dann kam Michael Naumann – und plötzlich sind sich der Kulturbeauftragte der Bundesregierung und der Architekt Peter Eisenman einig.

Naumann fordert für das Gelände eine Mischnutzung aus Dokumentations- und Forschungszentrum, dazu eine Bibliothek und einen „Garten der Besinnung“. Obwohl Eisenman noch immer auf seinem Entwurf mit einem Stelenfeld aus 2.500 Betonpfeilern beharrt, hat er nun ein entsprechend erweitertes Modell vorgelegt. Als Architekt ist er ohnehin gewöhnt, sich bei Bauvorhaben nach den Veränderungswünschen der Bauherren zu richten. Selbst über Naumanns Äußerung, daß Eisenmans Entwurf ihn zu sehr an Speersche Architekturen erinnert, konnte er offenbar hinwegsehen.

Allen Widersprüchen zum Trotz liegt der neue Entwurf auf Linie mit den bisherigen künstlerischen Vorschlägen. Die Mischform aus Monument und Archiv bildet eine Quersumme der bisherigen Pläne: Hatte nicht Jochen Gerz einen Ort der Kommunikation mit einem angeschlossenen Filmarchiv vorgelegt? Waren nicht schon Renata Stih und Frieder Schnock beim ersten Wettbewerb 1995 auf die Idee gekommen, Bustouren zu den bereits existierenden Gedenkstätten mit einem Archiv auf dem Gelände am Brandenburger Tor zu verbinden? Nur in der Beschäftigung mit den Ursachen und Folgen der Judenvernichtung ist der Erinnerung an die Tat beizukommen – der Holocaust bleibt undarstellbar.

Irritierend ist bei der neuen Lösung nicht die plötzliche Harmonie, sondern der Weg der Entscheidungsfindung. Über Weihnachten sollen Naumann und Eisenman das neue Konzept besprochen haben. Zuvor hatte jedoch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gefordert, daß der Bundestag noch einmal generell über das Mahnmal diskutieren solle. Nur so könne man der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Frage entsprechen. Für dieses Procedere hatte sich auch der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi seit Jahren eingesetzt. Insofern kann der Kompromiß lediglich eine weitere Vorlage sein, sonst liefe Naumanns Vorschlag wie zu Zeiten Helmut Kohls auf einen Alleingang hinaus. Das Parlament wird das letzte Wort behalten. Harald Fricke