Der Senat bleibt wach und schweigt

An den ersten Verhandlungstagen gegen US-Präsident Clinton im US-Senat stellten die „Impeachment-Manager“ multimedial die Anklage vor – langatmig, mit bekannten Vorwürfen, aber professionell  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Was vor einem Jahr noch niemand für möglich gehalten hatte, das hat jetzt im Ernst begonnen: der Prozeß gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Das US- Repräsentantenhaus schickt sich an, Bill Clinton abzusetzen.

Vor der vollbesetzten Kammer des Senats traten am Donnerstag die sogenannten Manager der Anklage aus dem Repräsentantenhaus auf und begannen ihre Beweisführung gegen Bill Clinton. Nach den einstimmig vom Senat beschlossenen Verfahrensregeln haben sie 24 Stunden Zeit, ihre Anklage zu vertreten, worauf die Anwälte des Weißen Hauses ebensoviel Zeit haben, ihre Version zu präsentieren. Schließlich dürfen die Senatoren, die 48 Verhandlungsstunden lang schweigen müssen, 16 Stunden Zeit, die Parteien zu befragen.

Die Republikanischen Abgeordneten des Rechtsausschusses – alles geschulte Juristen –, die die Nation letztes Jahr im Fernsehen als zankende Parteipolitiker kennengelernt hatte, verwandelten sich am Donnerstag in professionelle Ankläger und gewiefte Staatsanwälte. Sie brachten weder neue Fakten ein, noch zogen sie neue Schlußfolgerungen, aber sie reihten minutiös Schritt für Schritt die Indizien aneinander, die beweisen sollen, daß Bill Clinton wiederholt gelogen und systematisch potentielle Zeugen präpariert und beeinflußt hat.

Die „Manager“ verstehen ihr Geschäft. Obwohl ihre Ausführungen zeitweilig langatmig, um nicht zu sagen langweilig, waren, verstanden sie es doch, die 100 älteren Herren des Senats durch den Einsatz von Schrifttafeln, vermischt mit Videoaufzeichnungen von Aussagen bei Laune und wach zu halten. Solch systematische Beweisführung entfaltet ihre eigene Suggestivkraft, so daß die Meinung von Republikanern und Demokraten, von Kommentatoren und Beobachtern am Ende einhellig war: Die Anklagevertreter haben ihre Sache gut gemacht und ihren Fall überzeugend dargestellt. Bleibt abzuwarten, wie die Anwälte Clintons sich bewähren werden.

Trotz der Einhelligkeit, mit der die 100 Senatoren beschlossen hatten, die Frage nach der Vernehmung möglicher Zeugen zu verschieben, bis beide Parteien ihre Sache präsentiert haben, begann das Gerangel um diese Frage schon jetzt. „Sie müssen sie sehen“, beschwor der Republikanische Abgeordnete Asa Hutchinson aus Arkansas die Senatoren, „ihre Körpersprache studieren, hören, wie sie auf Ihre Fragen antwortet, ob sie gequält und unwillig oder ob sie frei heraus spricht.“ Abseits des Forums trafen sich denn auch schon einzelne Senatoren mit Vertretern der Anklage, um über die Vorladung von Monica Lewinsky und die Ladung Bill Clintons selbst zu diskutieren.

Die Überparteilichkeit, auf die die Senatoren noch vor einer Woche so stolz waren, ist nur ein dünner Firnis, und der Konsens ruht auf dünnem Eis. Der Absturz des ganzen Verfahrens in unversöhnliches Parteiengezänk ist jederzeit möglich, womit Amerikas politische Klasse ihre letzte Chance vertun würde, den Menschen im Lande das Gefühl zu geben, daß in Washington noch erwachsene Leute am Ruder stehen.

Nie war die Spaltung von Staat und Gesellschaft so groß, nie war das Interesse breiter Bevölkerungskreise für die Vorgänge in ihrer Hauptstadt geringer. Außerhalb Washingtons nahm kaum jemand Notiz von der Eröffnung des zweiten Impeachmentverfahrens in der Geschichte des Landes.