Streit um Wiedergutmachung

■ Strafanzeige gegen einen Schweizer Hilfsfonds für Holocaust-Opfer: Zahlreiche Roma sollen ihre Wiedergutmachung nicht erhalten haben

Hamburg (taz) – Der Roma National Congress (RNC) hat Strafanzeige gegen den Schweizer Fonds zugunsten bedürftiger Opfer des Holocaust/Shoa gestellt. Der RNC, der Dachverband von Roma-Organisationen in Europa, wirft den Verwaltern des Fonds vor, Gelder für Holocaust-Überlebende bewilligt zu haben, ohne im nachhinein zu kontrollieren, ob diese tatsächlich bei den Betroffenen angekommen sind. Zahlreiche in Polen lebende Roma hätten ihre Wiedergutmachung nie oder nicht im bewilligten Umfang erhalten.

Zum Beleg seiner Anschuldigungen legte RNC-Sprecher Rudko Kawczynski gestern die eidesstattlichen Versicherungen von 29 polnischen Roma vor. Darin bestätigen diese, daß der Fonds ihnen eine Entschädigungszahlung in Höhe von 1.500 Schweizer Franken gewährt hätte. Die Zahlung sei aber nicht an sie direkt, sondern zur Weiterverteilung an den in Polen ansässigen Verband der Roma in Auschwitz überwiesen worden. Und der habe ihnen das Geld nicht in den zugesicherten Franken, sondern in polnischen Zloty ausgezahlt, so daß sie umgerechnet nur rund 600 Franken auf ihrem Konto verbuchen können.

Laut Kawczynski haben die PolInnen Strafantrag gegen den Verband der Roma in Auschwitz gestellt. Diese rechtlichen Schritte hätten sie auch dem Holocaust- Fonds mitgeteilt, um ihn zu einer Überprüfung der Angelegenheit zu veranlassen. Der Fonds, so Kawczynski, habe daraufhin zwar eine andere Verteilerorganisation, nicht jedoch den Verband der Roma in Auschwitz überprüft. Der Sprecher des Holocaust-Fonds, Lorenz Wolffers, weist diese Vorwürfe zurück. Im August seien entsprechende Vorwürfe bekannt geworden, woraufhin die Organisation überprüft worden sei. Dabei habe sich erwiesen, daß die Buchungen korrekt vorgenommen worden seien.

RNC-Anwalt Christian Schneider wirft dem Fonds hingegen in der Anzeige vor, gegen seine rechtlichen Pflichten verstoßen zu haben. „Hier werden die Opfer allein gelassen“, bewertete Schneider gestern das Verhalten der Fonds- Verwaltung. Laut Stiftungssatzung dürften die Organisationen, die das Geld an die Opfer weiterleiten sollen, selbst nichts einbehalten, nicht einmal eine Aufwandsentschädigung.

Der Schweizer Fonds zugunsten bedürftiger Opfer des Holocaust wurde vom Schweizer Bundesrat per Verordnung 1997 eingerichtet. Nach Angaben des RNC wurde er mit 273 Millionen Franken ausgestattet, mit denen Überlebende des Holocaust entschädigt werden sollen, die heute am Rande des Existenzminimums leben müssen. Sie können sich nicht selbst an den Holocaust-Fonds wenden, sondern müssen ihren Antrag bei einer Organisation einreichen, wie etwa dem Verband der Roma in Auschwitz. Elke Spanner