Erster rot-grüner Haushalt wächst um 20 Milliarden

■ Dennoch üben die Finanzkontrolleure des Bundestags nur leise Kritik am Finanzminister. Größere Einsparungen wären „kein Zusammenbruch gewesen“. Konkrete Zahlen am Dienstag

Berlin (taz) – Der erste Haushalt der rot-grünen Bundesregierung ist im Detail noch nicht bekannt, schon ist er abgenickt. Weder aus der Fraktion der Grünen noch von den Sozialdemokraten kam gestern der nenneswerte Wunsch nach Prüfung des Budgets der Schröder-Regierung für 1999, das der Bundestag im Februar diskutieren wird. Erst beim nächsten, dem Etat für das Jahr 2000 werden die Parlamentarier Finanzminister Oskar Lafontaine (SPD) genauer auf die Finger schauen.

Der Schatzkanzler hatte auch am Donnerstag den rot-grünen Abgeordneten keine genauen Zahlen über die Ausgabentitel der einzelnen MinisterInnen vorlegen können. Lafontaine selbst war wegen eines Trauerfalls nicht anwesend. Sein Staatssekretär Karl Diller (SPD) hatte in Berlin lediglich Trends der Staatsausgaben bekanntgegeben. Demnach werde das Budget bei einem Gesamtumfang von 484 Milliarden Mark liegen – und damit den 99er Etat übersteigen, den die Regierung Kohl für 1999 vorgelegt hatte (465 Milliarden).

Die Steigerung um knapp 20 Milliarden Mark kommt zustande, weil Lafontaine gegenüber dem Budget der Kohl-Regierung diverse Umbuchungen vornimmt – etwa die Integration sogenannter Schattenhaushalte. Der Etat wächst damit, obwohl alle MinisterInnen der Schröder-Regierung ihre Einzelbudgets einen Sparbeitrag von jeweils 0,5 Prozent zu erwirtschaften hatten.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Hans Georg Wagner, kritisierte diese mäßige Sparleistung. „Ein einprozentiges Betrag wäre auch kein Zusammenbruch der Republik gewesen“, seufzte der Finanzkontrolleur der stärksten Bundestagsfraktion. Das Budget für das laufende Jahr sei nur deshalb so leicht zu erreichen gewesen, „weil überraschende Privatisierungserlöse den 99er Haushalt in Ordnung bringen“. In der Tat konnte Lafontaine rund zehn Milliarden Mark an Veräußerungen auf seiner Habenseite für 1999 verbuchen, weil Kohls Kassenwart Theo Waigel (CSU) sie 1998 noch nicht realisiert hatte. Dazu zählt unter anderem der Verkauf der Postbank (erwartete Erlöse von 4,3 Milliarden Mark), Telekom- Teilverkäufe (1,5 Milliarden) und wiederverwertbare Airbusförderungen (1,75 Milliarden).

Besonders stolz sind die rot-grünen Geldexperten auf ihren „schönen und ausgelichenen Haushalt“, weil er an einer entscheidenden Stelle nicht gegen die Verfassung verstößt: Die Investitionen des Bundes liegen über den neuen Schulden, die der Staat aufnimmt. „Wir halten die magische Grenze des Artikels 115 Grundgesetz ein“, sagte SPD-Haushälter Wagner der taz erleichtert, ohne präzise Zahlen zu nenen. Den Kassenwart Waigel hatte Wagner stets heftig dafür kritisiert, daß er den Kreditrahmen des Grundgesetzes überschreite. Die Einzeltitel für 1999 will Lafontaine am Dienstag vorlegen. Christian Füller