Zur Auferstehung gibt's Eintopf

Die Mission am Hauptbahnhof macht es möglich: Nach dem Umzug in die Kaiser-Wilhelm-Straße wird auch weiterhin in kulturell aufgeladener Atmosphäre Suppe gereicht. Am Sonnabend wurde dort ein „Koreanischer Abend“ gefeiert  ■ Von Barbora Paluskowa

Als ich Hunger hatte, kam eine humanistische Gruppe und diskutierte darüber“, spricht die Stimme aus dem Off, und Sang-Jin Lee bittet einen älteren Herrn zu Tisch. Der legt seinen Mantel ab, klettert die Stufe hoch und kleckert ein bißchen, denn auf der Bühne gibt es Milch aus einem übervollen Glas, und statt Diskussion Pantomime.

Die Performance Dokument eines lebenden Menschen war am Sonnabend der künstlerische Auftakt eines langen und außergewöhnlich gut besuchten Abends in der Mission am Hauptbahnhof. Nach einem überaus leckeren koreanisch-deutschen Eintopf stellten fast 30 Künstler verschiedener Nationen Musik, Super-8-Filme, Installationen und Darbietungen von unterschiedlichstem Spektakel- und Symbolgehalt vor. So sägte Sigi Komorowski fast in Rekordzeit einen dicken Holzstamm durch, von Maksa und Schar Mol war unter dem Titel Lecker karottenbewehrtes Räkeln zwischen Farbbeuteln und Konfetti zu sehen, und Setboyl Oh durchquerte in kurzer Zeit drei Ozeane in Plastikeimern.

Daß sich die Mission am Hauptbahnhof immer noch so nennt, obwohl sie im November letzten Jahres aus dem alten Raum im Bieberhaus in die Kaiser-Wilhelm-Straße umziehen mußte, ist Programm, und am Ortswechsel scheiden sich die Geister. Zwar ist der neue Raum wesentlich größer und bietet mit Kicker, Bibliothek und großem Keller mehr Möglichkeiten, dafür liegt er aber abseits des sozialen Brennpunkts Hauptbahnhof – fast schon versteckt in der Neustadt, was einigen Missionisten gar nicht gefällt.

„Sobald sich eine Möglichkeit ergibt, nach St. Georg zurückzukehren, werden wir es tun“, sagt deshalb Andrew Saathoff, einer der zwölf Helfer, die sich die Aufgaben teilen – im gleichberechtigten Team, denn einen Hauptleiter, wie in der alten Mission, gibt es nun nicht mehr.

Andere legen auf die symbolische Plazierung keinen Wert, denn das Konzept hat sich durch den Umzug nicht geändert. Seit sie Ende 1997 aus einer Aktion von Christian Schlingensief entstand, wird in der Mission Verpflegung und Kunstprogramm ausgegeben – kostenlos oder gegen einen geringen Beitrag von denen, die es sich leisten können. Der gemeinnützige Verein finanziert sich hauptsächlich durch Spenden, deren größter Anteil durch Sammlungen am Schauspielhaus zusammenkam. Die Miete für den neuen Raum wurde – vorläufig für ein Jahr – anteilig von der Kultur- und Sozialbehörde übernommen.

Daß sich auch in der Neustadt Obdach- und Wohnungslose mit Kunstbedürftigen treffen können, ist aber vor allem dem Engagement der Beteiligten zu verdanken. Alle Künstler treten ohne Gage auf, und von der Programmgestaltung bis zum Tresendienst werden alle Arbeiten ehrenamtlich erledigt. Von einem, demnächst von drei Helfern werden Arbeitsauflagen abgeleistet, die übrigen sind freiwillig dabei.

Die Verbindung von Kunst und Suppe ist schon oft als einzigartig beschrieben worden. Die Besucher sehen das etwas profaner, denn der Vergleich mit anderen sozialen Einrichtungen ist durchaus möglich. Dabei schneidet die Mission durchgehend gut ab, vor allem weil es hier lockerer zugeht und niemand missioniert wird.

Es muß schon großen Ärger geben, etwa grobe Verstöße gegen das Alkoholverbot, bevor Hausverbot erteilt wird. Viele Wohnungslose pendeln zwischen den Aufenthaltsstätten, und nicht alle sind an der Kunst interessiert, sondern verlassen die Mission, bevor das Programm beginnt.

Wer am Sonnabend nach der Suppe blieb, erlebte eine Veranstaltung, die laut Organisatorin Young-Ja Bang-Cho Folgen haben soll: Bei Interesse sollen die Besucher der Mission demnächst nicht nur zuschauen, sondern auch in künstlerischen Arbeitsgruppen mitmachen können.

Wenn es funktioniert, wäre es eine substantielle Bereicherung für Hamburgs einzige Suppen- und Kunstküche.