Das „Handicap Gedenkstätte“

Zukunft der Gedenkstätte für die Kinder vom Bullenhuser Damm ist ungewiß. Sprinkenhof AG sucht neue Mieter für das Gebäude  ■ Von Karin Flothmann

„Eure Seelen leben durch unser Gedenken“ hat jemand mit grünem Filzstift auf einen faustgroßen Stein geschrieben. Zusammen mit vielen anderen Steinen liegt er in einem eisernen Korb, unten im Keller der ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm. Zwanzig jüdische Kinder wurden hier am 20. April 1945 von SS-Leuten erhängt, um die Spuren medizinischer Experimente zu vertuschen, die an ihnen vorgenommen wurden. Kalt ist es in der Gedenkstätte in den Kellerräumen, die an das Verbrechen erinnert. Am Eingang zeugen Bretter und Baumaterialien von einem kürzlich erfolgten Umzug.

Im Dezember zog das Qualifizierungszentrum Zebra aus dem Gebäude aus. Seither steht das stadteigene Haus leer und wird nur noch notdürftig beheizt. Die Gedenkstätte für die Kinder vom Bullenhuser Damm ist unter der Woche für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Nur sonntags von 10 bis 17 Uhr sorgen MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme dafür, daß Interessierte eingelassen werden. Führungen für die Öffentlichkeit, die bisher an jedem ersten Sonntag im Monat stattfanden, sind nicht mehr garantiert. Im Programmheft von Neuengamme heißt es: „vorübergehend eingeschränkte Öffnungszeiten wegen Veränderung des Hauptmieters“.

Christa Goetsch von der Hamburger GAL findet es untragbar, daß die Öffentlichkeit nur noch zeitweise die Gedenkstätte besuchen kann. Auch die Kulturbehörde betont, ihr Interesse sei vor allem, daß der Ort des Gedenkens zugänglich bleibe. Um dies zu realisieren, stehe man in engen Verhandlungen mit dem Trägerverein der Gedenkstätte, der „Vereinigung der Kinder vom Bullenhuser Damm“. Dabei werde auch darüber nachgedacht, die Kellerräume, in denen die Morde geschahen, per Umbau vom Rest des Gebäudes zu trennen. Bisher ist die Gedenkstätte nur durch den Haupteingang zugänglich.

Ein städtischer Mieter ist bisher jedoch noch nicht gefunden. „Das Gebäude hat hinsichtlich einer Vermietung das Handicap dieser Gedenkstätte“, sagt Karl-Heinz Ehlers, Vorstandssprecher der Sprinkenhof AG, die das Haus in Rothenburgsort verwaltet. Derzeit verhandele man mit dem Landesbetrieb Krankenhäuser über eine Nutzung, auch ein Kindergarten sei interessiert. An eine gewerbliche Anzeige werde „im Moment noch nicht“ gedacht.

Eine solche Annonce gab die Sprinkenhof AG 1988 auf. Im Immobilienteil einer Hamburger Zeitung pries sie 2300 Quadratmeter Nutzfläche zur gewerblichen Vermietung an. Mit keiner Zeile wurde erwähnt, daß sich im Haus auch die Gedenkstätte befindet. Angehörige der ermordeten Kinder wandten sich damals mit dem „Appell von Eindhoven“ gegen die Pläne, „dieses Haus des Schreckens“ gewerblich zu nutzen. „Vergessen Sie nicht“, so mahnten sie, „daß Hamburg schon einmal einen historischen Fehler begangen hat, als es aus dem Konzentrationslager Neuengamme ein Jugendgefängnis machte.“