■ Wahrheit-Reporter vor Ort (bzw. an einem ganz besonderen)
: Impeachment? Que es esto?

Man erzählt, kurz bevor John F. Kennedy das Dekret zum Kuba- Boykott verhängte, ließ er sich noch schnell 1.200 feinster Havannas kommen, dann setzte er seine Unterschrift unter das Papier, das für Jahrzehnte ein Land von der Außenwelt abschneiden sollte. Aber Mr. President hatte ja, was er wollte; hatte den präsidialen Humidor prall gefüllt, und Marilyn Monroe war schließlich auch nicht Monica Lewinsky. Inzwischen hat Amerika wieder einen schillernden Präsidenten, die Ära der grauen Herren ist vorüber. Und so manch einer mit einem großen Zeigefinger hätte gerne Kennedys Zigarren und Clintons Kontakte. Nur nicht den ganzen Trouble drumherum.

Aber Moral interpretieren sie nun mal genau so, die Amerikaner, wie's ihnen in ihr oft recht enggefaßtes Weltbild paßt, und so bleibt denn einem aufrechten Wahrheit- Reporter jenseits des großen Teiches nichts anderes übrig, als sich abzunabeln von Impeachment- News auf allen Kanälen und ein wenig abzuschweifen ins wahre Leben. Denn auch das gibt es hier, selbst wenn man nicht selten die Hände überm Kopf zusammenschlagen möchte. Impeachment hier, Krieg dort. Krieg' ich denn endlich was anderes zu sehen?

Ich kriege – und zwar „Little Havanna“ in Miami. Das ist so eine Möglichkeit. Ganz in der Nähe dieses ganz und gar nicht amerikanischen Stadtteils tun sich die Tore echter Wahrhaftigkeit auf. „Nick's Cigar Company“ heißt das Paradies in dieser Stadt. Schon wenn man eintritt in das von außen recht unscheinbare Fabrikgebäude – ach was, Fabrikgebäude, das ist das Himmelreich! –, empfängt einen ein Duft, der erahnen läßt, wie es bei „Partagas“ oder „Cohiba“, in den kubanischen Tabaktempeln, riechen muß. Berge dunkler Tabakblätter türmen sich in der hinteren Ecke der geräumigen Halle. Ausschließlich spanisch sprechende Frauen und Männer rollen die Wunderwerke, die den Rauch der Weisheit schon fast erahnen lassen...

Und hier treffe ich sie: „Inmenso“! Sie wird fortan der Inbegriff der Lebensfreude. „Inmenso“ ist knapp 13 Zentimeter lang und fast halb so dick. (Möglicherweise neigt der Wahrheit-Reporter beispielsweise an dieser Stelle ein ganz klein wenig zur Übertreibung.) Die „Inmenso“ wird mit Hilfe eines Mini-Bunsenbrenners mit einer 1.300 Grad heißen Flamme entfacht. Sie ist eine Kreation aus besagtem Paradies. 13 Lagen eingewickelt in feinstes Tabakdeckblatt, vom Kreator himself angebohrt; angebohrt deshalb, weil kein Zigarrenschneider der Welt diese Masse schafft.

Vergessen sind mit einem Mal die CNN-Wahrhaftigkeitsvergewaltiger vor Weißen Häusern in völlig dekadenten Hauptstädten. Hier wird tatsächlich noch gelebt. Es gibt sie noch, die Nischen, wo wahrhaft Bedeutendes geschaffen wird. Immens! Nicht nur dieses Maximal-Monstrum, vor dem selbst Miss Lewinsky zurückschrecken würde, hat hier seinen Ursprung. Auch viele andere – der Wahrheitsfindung dienende – Zigarren werden an diesem Ort zum gelebten Gegenprogramm. Vergessen die Hast der (m)oralgeschädigten Nicht-Sexhabenden. Es wird gelebt, geraucht, gelebt. Kein Sheriff wartet, um der Regierung zu vermelden, daß an diesem Ort neue Ansprüche angemeldet werden könnten für gierige Advokaten. Amerikanisch ist hier Fremdsprache. Die wesentlichen Dinge – Wie mische ich Nicaragua-Tabake mit solchen aus Ecuador – sind es, die interessieren. Impeachment? Que es esto? Was ist das?

Ein paar Meilen entfernt, am Strand von Miami Beach, stauen sich derweil die Trucks einer Hollywood-Produktionsgesellschaft. Mr. Harrison Ford dreht seinen neuen Film, und wetten, er würde die Scheinwerfermasten Scheinwerfermasten sein lassen, wüßte er von diesem Tempel der Freude. Die (Film-)Geliebte müßte wohl warten. Bleibt nur zu hoffen, daß Praktikantinnen-Spezialist Bill C. niemals hierherfindet. Es wäre vorbei mit der Unschuld dieses verr(a)uchten Ortes. Und „Inmenso“ würde sofort per Senatsbeschluß verboten. Klaus Wittmann