Die Christsozialen jubeln ihrem Stoiber zu

Mit 93,4 Prozent wählte die CSU den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zu ihrem neuen Parteivorsitzenden. Die Delegierten erfreute er mit einer guten Portion Populismus  ■ Aus München Stefan Kuzmany

Einer war zum persönlichen Triumph-Parteitag des Edmund Stoiber nicht eingeladen. Als der unbekannte Zahnarzt Anton Euba als einzige Stoiber-Alternative zur Wahl des Parteivorsitzenden der CSU antreten wollte, kam er ein paar Minuten zu spät. Der Außenseiter Euba, erklärter Gegner der Unions-Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, wollte mit seiner aussichtslosen Kandidatur ein „Zeichen gegen unchristliche Politik“ setzen. Allein, er durfte nicht. Sozialministerin Barbara Stamm, mit der Wahlleitung betraut, bügelte Euba so rigide ab („Sie hätten sich vorher zu Wort melden müssen“), daß selbst bei den festlich gestimmten Delegierten fast so etwas wie Unmut über den Umgang mit dem Parteifreund aufkam. Aber nur fast. Komisch eigentlich, daß von der CSU niemand den Beweis ihrer Demokratietreue verlangt. Also alles wie geplant. Mit 93,4 Prozent der Stimmen ist der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber zum sechsten Vorsitzenden der CSU gewählt worden – und jetzt ist er endlich da, wo er immer hinwollte: Ministerpräsident und Parteivorsitzender in einem. Hatte Theo Waigel, wegen grober Unlust und seiner Verantwortung für das relativ schlechte Ergebnis seiner Partei bei der Bundestagswahl nicht mehr angetreten, in seiner rührenden Abschiedsrede noch mal trotzig angemerkt, er sei nicht „in die Schuhe oder den Anzug von Franz Josef Strauß“ gestiegen, schien sich Stoiber schon Minuten nach seiner Wahl in den neuen alten Kleidern sehr wohlzufühlen. Wie es auch sein Vorbild gern gehalten hat, bemühte sich Stoiber in seiner Antrittsrede einerseits um ein moderates, soziales Profil seiner Partei und Person („Geborgenheit, Menschlichkeit und soziale Verantwortung“), andererseits sparte er nicht mit populistischen Phrasen. Stoiber, der ein hervorragendes Gespür für die Stimmung im Publikum besitzt, bediente die Parteitagsdelegierten perfekt. Immer, wenn seine Rede etwas langweilig, weil zu sehr inhaltlich konkret wurde, entfernte er sich vom Manuskript und streute die Worte „doppelte Staatsbürgerschaft“ ein – Applaus garantiert, ganz egal, ob es gerade noch um die Sozial- oder die Bildungspolitik gegangen war.

Auch die Mitbürger im Osten der Republik sollten endlich mal vernünftig werden: „Wenn sich die Menschen in Schwerin etwas leisten wollen, was wir uns leisten können, dann können wir das nicht bezahlen, dann müssen die das selbst bezahlen“, sagte Stoiber. Und der Parteitag jubelte. Bis zur nächsten Bundestagswahl ist noch Zeit, und gerade in dieser Aufbruchphase unter Stoibers neuem Parteivorsitz wird der sich zunächst wohl noch auf die Rolle des vor allem bayerische Interessen und Befindlichkeiten vertretenden Landesvaters beschränken. Sollte Stoiber allerdings in dieser bequemen Position verweilen, könnte er sich bald in einer Zwickmühle befinden. In der Vergangenheit konnte er sich nach allzu deftigen Ausfällen immer hinter dem in Bonn verantwortlichen Theo Waigel verstecken. Der mußte dann regelmäßig das Verhältnis zur CDU und FDP kitten. Jetzt ist Stoiber auch bundespolitisch verantwortlich – und den Wählern in Deutschland wird es kaum ausreichen, wenn da einer nur immer und immer wieder auf die besonders glückliche Lage Bayerns hinweist.

Den „lieben Wolfgang Schäuble“, als Grüßender von der Schwesterpartei angereist, ließ er wissen, daß die „CSU im Moment besser positioniert dasteht als manche in der CDU“. Doch das solle die Schwestern nicht trennen: „Ich will die Stärke der CSU in die Unionsfamilie tragen“. Freundlich verwies Schäuble darauf, daß er den „lieben Herrn Stoiber“ „überholt“ habe: Zwar sei Stoiber vor ihm Staatskanzleichef und Innenminister gewesen, aber als Parteivorsitzender war er früher dran. Stoiber quittierte das mit einem verquälten Lächeln – zu sehr stand die unausgesprochene Frage im Raum, wer von den beiden wohl als erster Kanzlerkandidat wird. Noch propagieren sie die Gemeinsamkeiten: „Wir lassen uns nicht auseinanderbringen“, sagte Schäuble. Und Stoiber kündigte im ZDF an, künftig „alle wichtigen Angelegenheiten“ mit Schäuble zu besprechen.

Was wichtig ist, wird er wohl auch weiterhin ganz allein entscheiden. Die Richtung und der Tonfall jedenfalls sind schon abgesteckt: „Liebe Freunde, ich lade Sie ein zum Kampf um Berlin“, beendete Edmund Stoiber mit zerzauster Frisur und im Furor der Begeisterung den CSU-Parteitag. Er weiß halt genau, was seine Leute hören wollen.