Kosovo-Massaker einhellig verurteilt

■ Serbische Einheiten töteten am Freitag mindestens 45 albanische Zivilisten. Die OSZE spricht von einem Kriegsverbrechen. Bill Clinton, Joschka Fischer und Robin Cook protestieren. Sondersitzung der Nato-Botschafter

Racak (taz) – Nach dem Massaker an mindestens 45 albanischen Zivilisten im Dorf Racak, 30 Kilometer südlich von Priština, hat die Chefanklägerin des Internationalen Tribunals für Kriegsverbrechen in Den Haag, Louisa Arbour, angekündigt, sie werde am Montag nach Makedonien fliegen, um danach im Kosovo Ermittlungen aufzunehmen. Dabei dürfte sie auf Schwierigkeiten stoßen. Gestern kam es in Racak zu bewaffneten Auseinandersetzungen. OSZE-Beobachter vor Ort und Einwohner, die zurückgekehrt waren, um ihre Toten in die Moschee zu bringen, flüchteten. Die serbische Seite behauptet, die Polizei habe „unabhängige Untersuchungen“ anstellen wollen und sei von „Terroristen“ angegriffen worden.

US-Präsident Bill Clinton verurteilte das Massaker. „Dies ist eine klare Verletzung der Verpflichtungen, die serbische Stellen gegenüber der Nato eingegangen sind. Es kann keine Rechtfertigung dafür geben“, zitierte ihn das US-Fernsehen. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer und sein britischer Amtskollege Robin Cook verurteilten das Massaker. „Die Verantwortlichen müssen wissen, daß die internationale Gemeinschaft nicht bereit ist, die brutale Verfolgung und Ermordung von Zivilisten im Kosovo hinzunehmen“, hieß es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes. Die Nato berief die Botschafter der 16 Mitgliedsstaaten gestern zu einer Dringlichkeitssitzung in Brüssel ein.

Am Freitag waren den ganzen Tag in Racak Schüsse zu hören. Am Samstag war es ruhig vor Ort, und Journalisten wie OSZE-Beobachter entdeckten in den Hügeln oberhalb des Ortes Dutzende von Leichen, alle in Zivilkleidung, die meisten mit Einschüssen im Kopf, viele grausam verstümmelt. Unter den Toten sind auch drei Frauen und ein zwölfjähriger Junge.

Zwei Stunden nachdem die ersten Bilder getöteter Zivilisten um die Welt gingen, gab die serbische Regierung ein Kommuniqué heraus, in dem von „einigen Dutzend toter Terroristen“ die Rede ist, die die Polizei attackiert hätten. Diese habe daraufhin zurückgeschossen. In Slivovo, einem Nachbardorf, war fünf Tage zuvor der Polizeioffizier Svetislav Prciz erschossen worden. Die Polizei habe nun die dafür verantwortliche Gruppe ausgeschaltet.

„Das übersteigt alles, was ich bisher gesehen habe“, sagte William Walker, Chef der OSZE-Mission im Kosovo. Walker sprach von einem Massaker und einem Kriegsverbrechen, was ihm von seiten des serbischen Präsidenten Milan Milutinović den Vorwurf eintrug, er habe seine Befugnisse überschritten. Thomas Schmid

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 12