Lange Schlangen auf dem Weg nach Istanbul

■ Zahlreiche TürkInnen fliegen zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan in die Heimat

Samstag morgen. Im Bus zum Flughafen Berlin-Tegel haben auffallend viele TürkInnen Platz genommen. Wie die anderen Fahrgäste auch streben zwei junge Türkinnen mit blauem und beigem Kopftuch an der Endstation eilig in Richtung „Departures“, auch wenn sie selbst heute gar nicht abfliegen wollen. „Unsere Eltern besuchen ihre Geschwister, um mit ihnen das Ende des Ramazan zu feiern“, erklären die beiden. „Wir wollen sie am Flughafen nur verabschieden und ihnen einen guten Flug wünschen.“

Die jungen Türkinnen sind nicht die einzigen, die ihre Familienangehörigen bis zum Einchecken begleiten. Die Schlange vor dem Schalter der Istanbul Airline ist lang. Denn heute beginnt das dreitägige Zuckerfest Ramazan Bayrami, mit dem der islamische Fastenmonat Ramadan – oder Ramazan wie ihn Türken und Perser selbst nennen – traditionell zu Ende geht. Die meisten der Wartenden fliegen in die Türkei, um das Fest in der Heimat zu feiern.

„Ich besuche meine Geschwister inklusive der Nichten und Neffen“, erklärt ein untersetzter Mann mit schickem Anzug. „Die eigentlich üblichen Geschenke zum Zuckerfest habe ich aber nicht dabei. Ich hätte ja für jedes Kind etwas mitbringen müssen, und so viele Pakete wollte ich dann doch nicht tragen.“

Gleich hinter ihm stehen sechs Leute um einen Gepäckwagen gedrängt, der mit Koffern und verschnürten Packpaketen bestapelt ist. „Mein Vater und meine Tante fliegen nach Istanbul. Zu der Urgroßmutter, um das Ende von Ramazan zu feiern. Hier oben auf den Wagen liegen die Geschenke, die sie ihr mitbringen. Ich glaube, das meiste davon sind Kleider und Geschirr“, so Hawa Keles, eine junge Türkin.

Aber nicht alle Reisenden fahren wegen der Festlichkeiten zu ihren Angehörigen. „Ich muß geschäftlich in die Türkei“, erklärt ein etwa vierzigjähriger Mann mit verhältnismäßig wenig Gepäck. „Sicherlich werde ich am Dienstag oder Mittwoch auch meinen Schwiegervater besuchen, aber Ramazan Bayrami ist nicht der Hauptgrund für meine Reise.“

Die Plätze in der Maschine sind gut besetzt. Auch ein Mitarbeiter des Reisebüros Südtravel bestätigt, daß die meisten Maschinen in Richtung Türkei ausgebucht seien. „Die Nachfrage nach Flügen in der Zeit um das Zuckerfest ist besonders groß. Und man kann es sich ja auch leisten bei Preisen, die sich so zwischen 340 Mark und 400 Mark bewegen.“

Vor dem Flugschalter der Istanbul Airline verabschiedet sich eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern von ihrer Mutter. Die Großmutter drückt ihre Enkel noch einmal und küßt sie auf die Wange. Ein älterer Mann wischt sich verstohlen mit einem Taschentuch über die Augen. Eine Frau in engen schwarzen Hosen und Plateauschuhen winkt so lange, bis ihre Mutter hinter der Paßkontrolle verschwunden ist. Die Schlange wird kürzer und kürzer. Die einen entschwinden in den Warteraum, die anderen nehmen den Bus nach Hause. Julia Beeck