Am falschen Tatbestand angesetzt

Auf der Anhörung zur ökologischen Steuerreform hagelt es Kritik am Konzept der Koalition, vor allem an der Bevorzugung der Kohle. Außerdem würde durch die Ökosteuern viel zuwenig Kohlendioxid eingespart  ■ Aus Bonn Matthias Urbach

Die „ökologisch-soziale Steuerreform“ wird weder den Standort Deutschland ruinieren, noch wird sie den Arbeitsmarkt retten. Darin waren sich die auf der gestrigen Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses eingeladenen Wirtschaftsexperten weitgehend einig – Verbandslobbyisten der Industrie mal ausgenommen. Ähnlich einig waren sich Ökonomen und Ökologen, daß die vergleichsweise geringen Ökosteuersätze vorerst nur wenig Anreiz zum Energiesparen bieten.

Besonders ernüchternd aber muß für die anwesenden Mitglieder der Bundestagsfraktionen der rot-grünen Koalition gewesen sein, daß die geladenen Umweltexperten, zumeist Anhänger der Ökosteuer-Idee, den Gesetzentwurf überwiegend als systematisch falsch kritisierten.

Die deutlichsten Worte fand Hans-Jürgen Ewers: Die Steuer weise in die verkehrte Richtung, sagte der Vertreter des Sachverständigenrats der Bundesregierung für Umweltfragen. „Es wird am falschen Tatbestand angesetzt: am Energieverbrauch, nicht an den Schadstoffemissionen.“ Wie mit den geplanten niedrigen Steuersätzen und ohne ein Gesamtkonzept einer umweltgerechten Finanzreform das gesteckte Klimaschutzziel erreicht werden solle, so Ewers in seiner Stellungnahme, „bleibt weiterhin ein Geheimnis“.

„Hier werden Energien, die ganz unterschiedlich Schadstoffe emittieren, gleich besteuert“, sagte Ewers. Seine Berechnungen ergeben: Wer eine Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid ausstößt, muß dafür 36 Mark Ökosteuer zahlen, wenn er Strom verbraucht, 16 Mark, wenn er Erdgas benutzt, aber null Mark, wenn er dies mit Kohle tut. Doch für die Umwelt ist jede Tonne Kohlendioxid gleich schädlich.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das die Ökosteuerdebatte mit seiner Studie von 1994 so richtig in Schwung gebracht hatte, hält die Idee des Entwurfs zwar „grundsätzlich für sinnvoll“, spart aber nicht an Kritik an der Ausführung. Wenn man schon nicht bei den Schadstoffen, sondern beim Energieverbrauch ansetze, müsse man dies gleichmäßig tun, doch: „Kohlen und schweres Heizöl sind von der Besteuerung befreit. Dies ist aus ökologischer Sicht nicht zu vertreten. Die Belastung des Stroms fällt sehr hoch aus.“ Fazit des DIW: „Ohne Begründung scheint der Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung der Energieträger verletzt zu sein.“

Kein Wunder also, daß das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bei seinen Rechnungen nur auf vier Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid-Ausstoß durch die Ökosteuer kommt. Angesichts von 140 Millionen Tonnen, die noch bis 2005 für das deutsche Klimaschutzziel eingespart werden müssen, sei das „vernachlässigbar“, urteilt Bernhard Hillebrand. Anders als in früheren Gutachten zur Ökosteuer, wo das RWI Jobverluste prognostizierte, schätzt es den aktuellen Gesetzentwurf zumindest in dieser Hinsicht positiv ein. Mehr als 100.000 Stellen könnten in drei Jahren entstehen. Die Verbraucherpreise würden dafür um etwa 0,2 Prozent anziehen. Der Staat wird dagegen ab 2000 durch die Reform um rund 1,5 Milliarden Mark im Jahr entlastet.

Diese positive Arbeitsplatz- Rechnung hat allerdings nicht zuletzt mit den großzügigen Ausnahmeregeln für die energieintensive Industrie zu tun – die freilich gestern von der Regierung aufgehoben wurde. Nach den neuen Plänen soll nun die gesamte Industrie mit 20 Prozent des Ökosteuersatzes zur Kasse gebeten werden statt bisher mit 25 Prozent. Dafür entfällt die Befreiung für die 27 besonders energieintensiven Branchen.

Nicht nur an der Systematik der Energiebesteuerung, auch an der Art der Entlastung des Faktors Arbeit gab es Kritik. Eine Subventionierung des Rentensystems, kritisierte etwa der Bund der Steuerzahler, nehme den Druck vom Gesetzgeber, die Sozialversicherung grundlegend zu reformieren.